Samstag, 1. November 2014

Die Russen kommen!

 Ängstlich schaut der Deutsche derzeit in den Himmel. Sein Blick geht nach Osten. Von dorther müssen sie kommen, die slawischen Unterdrücker, die Hunnen mit ihren modernen Kampfflugzeugen.

 Hat die Nato doch dieser Tage ein gewaltiges Rauschen im deutschen Blätterwald hervorgerufen. Russische Kampfflugzeuge seien in den europäischen Luftraum eingedrungen hieß es. Und die deutschen Lohnschreiber und Leihfedern beeilten sich aus einem ganz normalen Ereignis, nämlich der Aufenthalt russischer Militärflugzeuge im internationalen Luftraum über der Ostsee, der Nordsee, dem Atlantik und dem schwarzen Meer eine Bedrohung des Westens zu konstruieren. Und natürlich steckt wieder hinter Allem der Erzschurke Putin.

 "Putin provoziert", weiß das Handelsblatt und hat natürlich sofort einen "Experten" parat, der den Russen böse Absicht attestiert. Karl-Heinz Kamp steht ebenso wie der Pascha aus Grunewald und ehemalige Grünenchef Joschka Fischer, in Diensten der ehemaligen Aussenministerin der USA, Madeleine Albright, und ist im Nebenjob Direktor Weiterentwicklung, der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Bis zum letzten Jahr stand er selbst noch in Diensten der Nato als Research Direktor, NATO Defense College in Rom.

 Dieser zutiefst unabhängige Beobachter spricht entgegen aller Fakten von einem "unangemeldete(n) Eintritt in das Hoheitsgebiet eines anderen Landes", das "ein gefährliches Unterfangen" sei. Putin zeige ein „gesteigertes Aggressionspotenzial“. Die Tatsache, dass die Russischen Flugzeuge den Luftraum keines Landes verletzten spielt natürlich keine Rolle, wenn es darum geht Ängste zu schüren.

 Ein anderer verdienstvoller, alter Recke im Kampf gegen den ewigen Russen ist Rolf Clement, Sicherheitsexperte beim Deutschlandfunk. Clement zeigt einmal den Unterschied zwischen der friedfertigen, nur der Freiheit und Demokratie verpflichteten Nato und dem Reich der Finsternis, das vom unberechenbaren Despoten regierte Russland auf:
"Auf der einen Seite versuchen die westlichen Staaten, zum Beispiel durch die EU mit Russland ein Mindestmaß an kooperativen Strukturen zu erhalten." 
 "Auf der anderen Seite wird mit den Säbeln gerasselt. 26 Kampfjets, die in Formationen durch einen Luftraum fern der russischen Grenzen fliegen, sich nicht bei der Flugkontrolle anmelden und auch ihre Identifizierung verhindern, stellen eine Herausforderung dar, der die NATO gerecht werden muss. Es wird militärisch gezündelt. Russische Kampfjets dringen in den Luftraum der baltischen Staaten ein, auch in Finnland und Schweden."

Die russischen Flugzeuge hätten sich ausschliesslich im internationalen Luftraum bewegt? Papperlapapp! Clement hat erkannt, dass sich der Westen in einem "Propagandakrieg" befindet und da muss man gegenhalten.  Moskau behaupte "Die NATO übe doch auch, und sie verstärke ihre militärische Präsenz," empört sich Clement, ob solch russischer Unverschämtheiten.

 "Da gilt aber: Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch nicht das Gleiche. Die NATO reagiert mit ihrer Präsenz und Übung auf russische Manöver und Absichten. Russland reklamiert eine Zuständigkeit für russischstämmige Menschen überall in der Welt - für die baltischen Staaten eine Herausforderung."

 Nicht dass das jetzt jemand für Comedy hält. Rolf Clement, ein erwachsener Mann, noch dazu hoch bezahlter Redakteur eines deutschlandweit zu empfangenden Radiosenders, bezahlt aus den Rundfunkgebühren, meint das ernst. Jeder Staat rings um den Globus, in dem Russen leben schwebt in der Gefahr einer russischen Annexion, siehe: Die Krim. Bei Clement gibt es sie noch die Welt unserer Kindheit, der Märchen und Mythen: Auf der einen Seite das Hehre, Gute, ohne Fehl und Tadel, der Westen, die NATO, und auf der anderen Seite das Abgrund Schlechte, das Verschlagene, der Ausbund des Bösen, Russland, dem am Ende immer nur die Vernichtung, der grausame, aber verdiente Tod bleibt.

 Auf "t-online" wird  Märchenonkel Clement deutlich: "Das waren massive Luftraumverletzungen, wie wir sie bislang nicht gekannt haben. In Zukunft könnte sich die Nato dazu gezwungen sehen, die russischen Jets abzuschießen.“

 Auch die "Süddeutsche" fokussiert ganz auf den russischen Präsidenten. In bester Bildzeitungsmanier titelt Markus C. Schulte vom Drach: "Putins Leistungsschau".

 Über den promovierten Verhaltensbiologen Drach (merkwürdige Berufe haben die "Journalisten" der SZ) schriebt die Süddeutsche in seiner Vita, Drache stelle sich immer wieder zwei Fragen: "Ist das wirklich so?" und: "Warum?" Fragen auf die der adlige Lohnschreiber bisher noch keine Antworten gefunden zu haben scheint, zitiert er doch einen angeblich anonymen Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums: "Das hilft nicht, die Situation in der Ukraine zu deeskalieren. Es hilft nicht, die Beziehungen zwischen Nato und Russland zu verbessern. Es hilft niemandem."

"Ist das wirklich so?" "Warum?"

 Fragen die sich  Daniel Brössler, der es bei der SZ bereits zur Edelfeder gebracht hat, wahrscheinlich nie gestellt hat. Der weiß wer seine Miete zahlt und alles andere ist ihm Wurscht. Brösler verändert, wenn's denn gefordert wird, auch schon mal die Geografie: "Russische Bomber fliegen in recht großer Zahl tief in den europäischen Luftraum hinein und nähern sich dabei den Grenzen mehrerer Nato-Staaten." schreibt er in der Printausgabe der "SZ" vom Freitag den 31. Oktober. Dabei ist dem Guten leider ein klitzekleiner Fakt entgangen. Die Hälfte der europäischen Landmasse gehört zu Russland. Wenn die russischen "Bomber", wie Brösler die russischen Flugzeuge vereinfachend nennt, vom Boden bei St Petersburg, Moskau oder Niznij Novgorod abheben und in den Himmel steigen befinden sie sich bereits "tief im europäischen Luftraum". Aber das sind ja nur Fakten, ungeeignet für die Vorbereitung eines Kreuzzuges.

 Wenn die Großen der Branche mobil machen, dann will natürlich die Provinzpresse nicht abseits stehen. Witzig fand die Redaktion der "Neuen Westfälischen" aus Bielefeld wohl diese Karikatur. Ein Beispiel dafür, wie weit Journalisten sich nicht entblöden, wenn es darum geht, dem Mainstream hinterher zu rennen.



 Warum aber entfachen ein paar, um genau zu sein, 26, russische Militärflugzeuge im internationalen Luftraum solch ein Rauschen im deutschen Blätterwald? Die Erklärung ist einfach und wird vom Handelsblatt frei Haus geliefert:

"In friedlichen Zeiten werden Stimmen laut, die den Nato-Haushalt kürzen wollen. Lässt Putin Kampfjets fliegen, stärkt dies die Einigkeit der Nato und lässt die Einsparer verstummen, sind sich Sicherheitsexperten einig."

 Ergo lassen die Nato und die mit ihr assoziierten Blätter, ein paar "Hunnenflugzeuge" von der Leine, auf dass die Akzeptanz der Menschen für die neuen Rüstungsprojekte steige.

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