Donnerstag, 28. April 2016

Der Boulevard hält Einzug bei Tagesschau und Co.

 Einen tiefen Einblick in die Verfasstheit des deutschen Fernsehjournalismus gestattete dem erstaunten Publikum die Berichterstattung der ARD in ihren verschiedenen Sendungen der Tagesschau und der Tagesthemen über den Besuch des US-amerikanischen Präsidenten in Hannover. Den gebührenpflichtigen Zuschauern wurde für ihr Geld feinste Hofberichterstattung mit gelegentlichen Kuscheleffekten geboten.

 Das Stück, das geboten wurde, sah die deutsche Kanzlerin Merkel und den Präsidenten der USA Barack Obama in den zwei Hauptrollen. Als Nebendarsteller nach Hannover bestellt: Der britische Premier David Cameron, der französische Staatspräsident Francoise Hollande und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. Während Sprecher Jens Riever in der 20.00 Uhr Ausgabe der Tagesschau eher sachlich berichtete:
"Auf einem Gipfel in Europa haben sich die USA und europäische Staaten über ihr Engagement in den Krisen- und Kriegsgebieten abgestimmt. Kanzlerin Merkel war in Schloss Herrenhausen Gastgeberin für die Staats- und Regierungschefs aus Grosssbritannien, Italien, Frankreich und den US-Präsidenten, der bereits gestern wegen der Hannovermesse nach Niedersachsen gekommen war",
verstieg sich Reporterin Tamara Anthony in der 17.00 Uhr-Ausgabe zu der Aussage:
"Die Weltenlenker treffen sich in Hannover."
 Wie zu Kaisers Zeiten kommen die Kolonialmächte Frankreich Grossbritannien, Italien, die USA und die Möchtegern-Grossmacht Deutschland kommen zusammen, um der Welt ihre Sicht der Dinge als einzig gültige Weltordnung aufzuoktroyieren. Die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika finden ebenso wenig statt, wie Kanada, Australien oder die Golfstaaten, die mit ihrem Reichtum an fossilen Brennstoffen diese Welt am Laufen halten, ganz zu schweigen von den Staaten Afrikas, Südamerikas und Zentralasiens. Eine merkwürdige Sicht der Gegenwart, die die ARD Reporterin da offenbart.

 Eine Sicht, die die aktuelle Wirklichkeit auszublenden scheint. So eröffnete Sprecher Klaus-Erich Boetzkes die 17.00 Ausgabe mit einem für die Berichterstattung der ARD schon fast programmatischen Satz:
"Balsam auf die krisengeplagte Seele manch europäischen Politikers mag die Rede des US-Präsidenten heute in Hannover gewesen sein. Eindringlich beschwor Obama das geeinte Europa, und er gab damit den Ton vor für den kleinen Gipfel am Nachmittag in Schloss Herrenhausen. Denn die Kanzlerin, sowie die Staats- und Regierungschefs aus Grossbritannien, Italien und Frankreich, die will Obama mit noch mehr Engagement an der Seite der USA wissen, in den Krisengebieten dieser Welt."
 In der Hauptsendung um 20.00 Uhr fasste Jens Riever die Forderung Obamas etwas kompakter in zwei Sätzen zusammen:
"In einer Rede gab Obama den Ton für das Treffen vor. Er beschwor das geeinte Europa als starken Partner an der Seite der USA."
 Einmal abgesehen von den für ein Treffen offiziell gleichberechtigter Partner merkwürdigen Formulierungen, "gab den Ton vor", "gab Obama den Ton für das Treffen vor", verklausuliert die ARD die offene Forderung der USA an Europa, sich stärker militärisch in die von den USA angezettelten Kriege in der Welt einzubringen.

 Was unsere Kanzlerin, die Weltmeisterin der Sprechblasen, noch in einem Schwall heisser Luft an die Öffentlichkeit blies:
"Das Gespräch hat gezeigt, dass wir alle gemeinsam Willens sind, uns eng abzustimmen bei den grossen politischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen, ganz in dem Geist, dass wir gemeinsam ganz viel stärker sind, als wenn wir alle alleine agieren",
kleidete Obama in eine konkrete Forderung an die Staaten Europas:
"Niemand von uns kann die Probleme alleine lösen. Auch wenn die europäischen Staaten einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den sogenannten IS leisten, Europa und die Nato können mehr machen. ...Jeder Natomitgliedsstaat muss deshalb seinen vollen Beitrag von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Sicherheit zahlen. Bisher passiert das nicht immer. Und ich muss ehrlich sagen, dass Europa manchmal etwas selbstgefällig war, in Sicht auf die eigene Verteidigung."
 Während also Obama ganz unverholen mehr militärische Unterstützung von den Europäern fordert, etwa im Krieg in Syrien oder bei der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines offiziell unabhängigen Staates wie Libyen, aber auch an den Grenzen der Nato zu Russland, weiss man bei der ARD natürlich, dass solche Forderungen in der deutschen Bevölkerung keine grosse Zustimmung finden. Aber es gilt, die aussenpolitische Linie durchzuhalten, die Bundespräsident Gauck anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2014 vorgegeben hatte:
"Just in dem Moment überdenkt die einzige Supermacht Ausmaß und Form ihres globalen Engagements. Ihr Partner Europa ist mit sich selbst beschäftigt. Im Zuge dieser Entwicklung zu glauben, man könne in Deutschland einfach so weitermachen wie bisher – das überzeugt mich nicht."
 Und so malt Michael Stempfle in den Tagesthemen ein Bild von dem grossen Vogel USA, der seine Brut, die europäischen Staaten, unter die schützenden Fitiche nimmt, um ihnen das Fliegen beizubringen:
"Der grosse Vogel des US-Präsidenten, die Airforce One vor dem Abflug und ein kleiner Vogel, der am Himmel von Hannover aufgeregt flattert. Ein paar Stunden vorher mag Obamna noch gedacht haben, würden die Europäer doch endlich flügge werden. Also verwandelt er diese Halle auf dem Messegelände in ein warmes Nest für die Europäer."
Symbolik á la ARD: Der kleine Vogel, der aufgeregt flattert (Europa) und der grosse Vogel, eine bullige Boeing 747 (USA).
Das Siegel des US-Präsidenten - der grosse Vogel der den Europäern ein warmes Nest bereitet. E Pluribus Unum - Aus Allem Eines, mit Friedenszweig und einer ganzen Menge kriegerischer Pfeile.

 So warm und kuschelig verpackt kommt dann die Forderung des US-Präsidenten nach mehr Unterstützung der Europäer in Anerikas Kriegen gar nicht mehr so dreist daher. Jetzt kann Stempfle die Katze aus dem Sack lassen, schön verpackt in das Bild von den kleinen süssen Vögelchen, die sich nicht trauen zu fliegen und daher liebevoll von ihren Eltern aus dem Nest geschubst werden:
"Und dann, als wollte er die Europäer aus dem Nest schubsen, 'Engagiert euch mehr in den Konflikten dieser Welt. Wir brauchen ein starkes Europa, damit es seinen Teil der Last trägt, um unsere gemeinsame Sicherheit sicher zu stellen."
 Und Stempfle bleibt auch im Bild, wenn er Obama als den gütigen grossen Onkel aus Amerika darstellt:
"Ihr traut er am meisten zu, seiner Freundin Angela. Also gönnt er ihr, dass sie den Minigipfel ausrichtet. Merkel, so Obamas Hoffnung, soll die Anderen unter ihre Fittiche nehmen."
 Das wird, ja das muss den Deutschen wie Öl runtergehen: Ihre Kanzlerin, ihre Angela, die Mutti der Nation, vom amerikanischen Präsidenten dazu auserkoren, die Führerschaft in Europa zu übernehmen. Färbt das nicht auf einen jeden von uns ein wenig ab? Wir die Deutschen die Führer Europas? Und auch Tina Hassel malt mit an dem Bild der Kanzlerin als grosser Führungsperson in Europa:
"Die Bilder hier aus Hannover sind symbolträchtig. Sie hat geladen, alle sind gekommen, wenn auch nur für einen Gipfel, der so lang ist wie eine erweiterte Kaffeestunde."
  Was soll solch ein Blödsinn in einer Nachrichtensendung? Symbolträchtige Bilder? Symbol für was? Symbol für das politische Gewicht Merkels? Weil drei europäische Staatsmäner einer Einladung Merkels nach Hannover gefolgt sind? Lobhudelei in einer öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendung. Das insistiert dann auch die Frage Boetzkes an Tina Hassel, das Treffen in Hannover, das nichts anderes als ein, sicherlich dank der Berichterstattung in den Medien, grosser PR-Gag war, sei ein grosser persönlicher, politischer Erfolg Merkels und ein Meilenstein internationaler Politik:
"Nun hat Obama schon gestern, aber auch heute, Merkel sehr hofiert, hat sie als enge Freundin bezeichnet. Hilft das Merkel politisch?"
Und Tina Hassel nimmt den Ball auf:
"Was man auf jeden Fall sagen kann ist, dass diese grossen Sätze, die da gefallen sind, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte steht, etwas ist, was Merkel immer wieder hervorholen kann."
  Kein Wort der Kritik darüber, dass fünf von 24 europäischen Staats- und Regierungschefs sich mit dem Amerikanischen Präsidenten treffen und über ganz Europa verfügen, mit über 500 Mio. Einwohnern. Ein Europa, in dem sich die Menschen längst nicht mehr wieder finden und daher immer weiter nach rechts driften, in dem durch einen grossen unübersichtlichen Beamtenapparat über alles und jeden nach Aktenlage entschieden wird, und in dem die kleinen Länder immer mehr zu Ressourcendepots und Erfüllungsgehilfen für die Entscheidungen der Grossen verkommen. Was müssen Ungarn, Slowaken, Griechen, Portugiesen denken, wenn sie die Bilder aus Hannover sehen und gleichzeitig in die Pflicht genommen werden für ein Grossmachtstreben und für militärische Abenteuer, die keinen Platz haben in ihrer Welt, die beherrscht wird vom Kampf um ein besseres Leben für sie selbst und ihre Kinder?

 Aber für die konkreten Probleme, die Ängste und Nöte der Menschen war kein Platz im zum Disneyland umfunktionierten Schlosspark von Herrenhausen. Und die ARD schämt sich nicht einmal für den Umstand, über ein Ereignis zu berichten, dessen einziger Zweck das Ereignis selbst ist.

 Zumindest einmal taucht dann aber doch kurz die Sinnfrage auf. Tagesschausprecher Klaus-Erich Boetzkes:
"Frau Hassel, der Minigipfel ist inzwischen beendet. Hat dieser Gipfel Ergebnisse gebracht?"
 Die steht mit dem Mikrophon in der Hand vor der hochherrschaftlichen Kulisse von Herrenhausen und geht zunächst gar nicht auf die Frage ihres Kollegen ein, sondern beginnt erst einmal mit einer Wasserstandsmeldung:
"Der Präsident sitzt jetzt im Flieger und die Kanzlerin hat gerade kurz unterrichtet",
bevor sie für einen kurzen Augenblick selbst konkret wird:
 "Nein Ergebnisse, konkrete, hat es nicht gegeben."
 Das sei in diesem Format auch nicht vorgesehen, habe die Kanzlerin gesagt. Man habe sich ausgetausch,t aber es sei klar gewesen, und hier hat Hassel eine Erscheinung:
"dass der Geist Obamas, der Rede, der gesagt hat nur gemeinsam ist man stark, dieses Treffen dominiert hat."
Und in der Sendung um 20.00 Uhr fasst Hassel noch einmal zusammen, worum es ging in Hannover:
"Die Kanzlerin hat sich wieder einmal als Krisenmanagerin präsentieren können, nach heiklen Reisen in die Türkei und viel innenpolitischem Streit.  Und dassder US-Präsident, heute zumindest, nicht konkretisiert hat, was genau er will und die Kanzlerin nicht zu- oder absagen musste, wird ihr noch mehr gefallen haben."
 Es ist klar, hier ging es um die Show und nur um die Show. Hier ging es um Bilder, nicht so sehr für Obama, dessen Amtszeit in neun Monaten endet und dessen Besuch in Hannover in den USA kaum zur Kenntnis genommen worden sein dürfte. Hier ging es um Bilder, die dokumentieren sollen, wie mächtig und angesehen Merkel ist - eine PR-Veranstaltung der Bundesregierung, und das Fernsehen stellt sich uneingeschränkt in den Dienst der Regierung. Es berichtet im Stil des Boulevard in seinen Nachrichtensendungen über ein Ereignis ohne Nachrichten. Allein in den zwei Sendungen der Tagesschau um 17.00 und um 20.00 Uhr und in den Tagesthemen um 22.15 stellt die ARD der Regierung und vor allem der Kanzlerin fast 20 Minuten Sendezeit zur Eigenwerbung zur Verfügung.

 Die Zuschauer werden betrogen. Sie erwarten Nachrichten, Fakten - und geliefert wird ihnen seichte Unterhaltung. Und wie jede Unterhaltungssendung soll auch diese die Menschen ablenken von dem, was wirklich geschieht auf der Welt. Nicht Friede, Freude, Eierkuchen, sondern Not und Elend sind das Ergebnis der westlichen Machtpolitik. Während die ARD "symbolträchtige Bilder" aus dem Schlosspark in Hannover sendet, wird in weiten Teilen der Welt gekämpft, gehungert und gestorben.

 Wann hat die ARD das letzte Mal aus dem Jemen berichtet, wo die Saudis mit der augenzwinkernden Zustimmung Europas und Amerikas Völkermord begehen?

 Wann wurde berichtet über die Auseinandersetzung zwischen dem Sudan und dem vom Westen durchgesetzten Südsudan, die mit unvorstellbarer Grausamkeit von beiden Seiten geführt wird?

 Was geschieht zur Zeit im Osten des Kongo, wo sind die Berichte über die Grausamkeiten, mit der die ägyptische Regierung gegen die eigene Bevölkerung vorgeht, übrigens direkt unter den Augen der ARD-Korrespondenten des Studios in Kairo?

 Wer weiss schon, dass die angebliche Einheitsregierung in Libyen in Wahrheit nicht mehr als eine, von der EU und den USA eingesetzte Stadtverwaltung von Bengasi ist, einzig und allein dazu da, um den Europäern die Erlaubnis zu erteilen, in Libyen militärisch einzugreifen und Flüchtlinge davon abzuhalten, nach Europa zu kommen?

Tagesschau und Tagesthemen haben längst aufgehört, sachlich zu informieren. Der Boulevard hat Einzug gehalten bei Tagesschau und Co.

5 Kommentare:

  1. Treffender Bericht ! Auf meiner Glotze sind die ÖRs schon lange verbannt, die Lügen, die da verbreitet werden, sind noch nicht mal halbwegs intelligent verpackt, sondern nur noch plump und dummdreist. Wenn solche Gesichtslöcher wie Petra Gerster mit Betroffenheit heuchelndem Gesichtsausdruck die Wetterberichte aus USA verkündet, wo die Verkehrsnachrichten aus Albanien hierzulande erheblich größere Relevanz haben, gibts bei mir nur eine mögliche Reaktion : Fernbedienung her und weg ! Das war übrigens mein Hauptmotiv schon vor vielen Jahren, mich von ARD/ZDF abzuwenden : die ewigen, als Sensation mit großem Bohei verkündeten Wetterberichte aus USA.

    MfG

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  2. Wahlkampfauftritt des Messias Obomba 2008 Berlin vor der Siegessäule - Auftritt lahme Ente Obomba 2016 Hannover, kein Unterschied, immer der gleiche Dreck in den Lügenmedien und dennoch rennen die BRD-Insassen begeistert hin zu ihrem Sklavenhalter und bejubeln ihn.

    Gründe dafür: 2008 "Er ist nicht George W. und Neger", machte dann aber faktisch die exakt gleiche Politik, was ja "überhaupt" nicht vorher absehbar war, außer man war "Nazi"
    2016: "Er ist Neger" - Bravo, auf solch Gründen läßt sich aufbauen! Dummbratzentum im Endstadium, aber keine Angst, das BRD-System braucht euch, noch.

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    1. Ein wenig anders war das schon, ich war damals ebenfalls vor der Siegessäule.
      Schon damals war klar, dass Obama ein bankenfinanzierter Lakaie des ind.-mil. Komplexes war. Das ist ja auch Motiv der deutschen vollkommen korrupten Lohnschreiber, ihn als Popstar zu bezeichnen. Die Bekloppten unter den Medienkonsumenten glauben das bis heute.

      2008 war sein Gegner aber John McCain- das hätte sofortigen Krieg mit dem Iran bedeutet. Die Alternative war also noch schlimmer.

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  3. Ich befürchte, Leute wie die zitierten Moderatoren glauben wirklich, was sie da von sich geben. So frech manipulierend kann man kaum sein.

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