Montag, 30. Oktober 2017

Platz 1 auf der nach oben offenen Ekelskala deutscher Journalistenergüsse

Anfang Oktober schrieb der "Tagesspiegel" mit dem Beitrag
 "Die 'Dolch Brigade' lernt Polen kennen",
ein denkwürdiges Stück Pressegeschichte. Sebastian Leber hatte wohl den Auftrag, der immer widerstrebenderen Bevölkerung die Kriegstreiberei der Nato an ihrer Ostgrenze etwas schmackhafter zu machen. Dabei stellten Leber und der "Tagesspiegel" offenbar jegliche journaistische Berufsethik hinter ihre große Aufgabe zurück.

 Recherche, Informationen aus verschiedenen, unabhängigen Quellen gegeneinander abwägen, das öffentlich machen der Quellen, differierende Meinungen, zumindest erwähnen, natürlich die finanzielle Unabhängigkeit von den Quellen, die gebotene intellektuelle Distanz und der weitgehende Verzicht auf ungeprüftes PR-Material - kurz eine vom Autor auf seine Recherche fussende eingenständig erstellte Arbeit, sollte das Ziel jedes verantwortlichen Journalisten sein.

 Von alledem hat der Artikel Sebastian Lebers nichts aufzuweisen. Geht es nach den bisher gültigen Regeln des Pressewesens, so müsste sein Beitrag als Anzeige gekennzeichnet sein. Als Anzeige der US-Army.

 Was war geschehen? Die USA hatten entgegen aller Warnungen und wissend, dass die Spannungen an den Ostgrenzen der Nato eine neue Hürde vom kalten zum heissen Krieg nehmen, eine weitere Brigade, die "Zweite gepanzerte Kampfbrigade der ersten Infanteriedivision" mit 3.300 Mann, 975 Fahrzeugen, 85 Panzern, 103 Schützenpanzern, 15 109-Millimeter Panzerhaubitzen und 390 weiteren Kettenfahrzeugen nach Polen gebracht. Alles da, um einen kleinen Krieg zu führen.

 Die Massnahme, die von den Revanchisten der rechtspopulistischen Regierung in Polen enthusiastisch gefeiert wurde, wird von den meisten Menschen in den westeuropäischen Ländern durchaus kritisch gesehen. Besonders die deutsche Bevölkerung, deren Vertretungen im letzten Jahrhundert zwei Kriege gegen Russland vom Zaun brachen, und die diese mit Millionen Opfern bezahlen musste, zeigt wenig Bereitschaft sich von den USA in einen letzten, finalen, alles Leben auslöschenden Vernichtungskrieg mit Russland hineinziehen zu lassen.

 Also sah man es geboten, die Truppe, die bis an die Zähne bewaffnet ist, als eine Abordnung zur Friedenssicherung und einen Beitrag der USA zur Völkerverständigung darzustellen. Da Presseverlautbarungen der Militärs aber von vornherein eine nur äußerst beschränkte Glaubwürdigkeit eingeräumt wird, schien es geboten, die Mär von der Friedenssicherung und der Völkerverständigung nicht durch die eigene Pressestelle zu veröffentlichen. Besser schien es den PR-Fachleuten auf die große Schar von Möchtegernjournalisten zurückzugreifen, die für ein paar schöne Fotos und ein paar als exklusive, angeblich aus eigener Feder stammende Zeilen, bereit waren ihre Berufsehre zu vergessen.

 So wurde denn wohl auch Sebastian Leber vom "Tagesspiegel" ins Westpolnische Zagen eingeladen, um sich ein paar Tage zwanglos, natürlich bei freier Kost und Logis, bei der "Dolch-Brigade" umzusehen. Eine Info-Mappe und ein tägliches Briefing durch die Militärs und bestens organisierte Sightseeing-Touren sollen wohl auch noch bei der ganzen Sache herausgesprungen sein.

 Leber selbst hat keinerlei Skrupel, als ein, wie es so schön sinnverklärend heisst, "embedded Journalist", Propaganda der US-Army im Tagesspiegel als Journalismus zu verkaufen:
"Wer als Journalist eingeladen wird, die Camps rund um Zagan zu besuchen, erhält erstaunlich freien Zugang zu den Soldaten."
 Will er uns etwa weismachen, die PR-Fachleute der Army wären so dämlich, dass sie nicht den Eindruck erwecken könnten, alles sei frei und zwanglos, alle Äußerungen der Soldaten deren eigene Erkenntnis? Natürlich sind alle Soldaten gebrieft und werden keine Aussagen machen, die ihnen während ihrer verbleibenden Zeit beim Militär Nachteile eintragen könnten - wer lässt sich schon gern über Jahre von seinen Vorgesetzten schikanieren?

Leber aber spielt uns weiter den Naiven vor. Eines dieser gut organisierten Briefings leitet Batallionskommandeur John Donlin:
"Die Pilze sind schuld, sagt John Donlin. Im Grunde seien die Panzer vom Typ Abrams schon gestern feuerbereit gewesen. Wenige Stunden nach dem Abladen vom Zug."
Der Grund dafür, dass die US-Kriegsmaschine leicht ins Stocken geriet, lag nicht etwa an seinen hochmotivierten Kriegern sondern an einer merkwürdigen Angewohnheit der putzigen Eingeborenen. Dolin
"musste sich das Problem von seinen polnischen Kollegen erklären lassen, doch wenn er es richtig versteht, strömen die Einheimischen zu dieser Jahreszeit scharenweise in den Wald, um Steinpilze zu suchen, die sie dann trocknen und Weihnachten verspeisen."
Dabei machen sie sich dass merkwürdige, selbstmörderische Verhalten der Lemminge zu eigen und lassen sich bei ihrem Tun
"auch vor Warnschildern militärischer Sperrzonen nicht abschrecken."
Der Kommandeur nahm Rücksicht auf das merkwürdige Verhalten der Polen, denen scheinbar ein paar getrocknete Pilze zu Weihnachten, die man in jeden US-Supermarkt für ein paar Dollar erstehen kann, wichtiger waren als ihr Schutz vor dem, gegen die polnischen Grenzen anrennenden Iwan:
"Weil es gestern neblig war, verschob Donlin die Schießübungen. Er wollte kein Unglück riskieren."
Welch tröstliche Botschaft: der Hegemon verzichtet zugunsten einiger durchgeknallter Pilzsammler auf ein schönes Gemetzel. Für Leber eine kleine Tragödie. Wie schön hätte sich doch eine Geschichte gemacht wie: Putin opfert Leben hunderter polnischer Pilzsammler um Verteidigung der westlichen Hemmisphäre an der Nato-Ostgrenze zu behindern!

 Dieser Megastory beraubt bleibt dem Mann vom Tagesspiegel im Herzen des Widerstandes gegen die russische Übermacht nur, weiter vom fröhlichen Soldatenleben zu berichten:
"Nun aber klingt es, als stehe das ganze Camp unter Beschuss. Obwohl die Panzer in hunderten Metern Entfernung feuern, dröhnen die Explosionen durch Schlafsäle, Duschen, die Essensausgabe."
Und anders als im vom ständigen Nörgeln und von Wutbürgern in seiner Heimat Deutschland bedrohten unbedingten Verteidigungswillen regt sich niemand über den höllischen Lärm auf:
"Keinen stört es."
Ein Paradies für Schlachtenlenker, Tötungsspezialisten und deren journalistischen Hofschranzen.

Leber kann keine gefährliche Konfliktsituation erkennen, läßt kein Gefühl der Bedrohung bei den in den letzten Jahrhunderten ständig aus dem Westen überfallenen Russen gelten. Für ihn zählen nur die platten eindimensionalen, dazu noch keiner sachlichen Überprüfung standhaltenden Behauptungen der ihm überreichten "Infomappen":
"Die Präsenz der Dolch-Brigade soll Russland abschrecken. Und gleichzeitig die Nato-Partner der Region beruhigen, die nach der Annexion der Krim und dem Eingreifen in der Ostukraine weitere russische Aggressionen fürchten."
 Wie schön einfach doch die Welt der Kämpfer und der Informationskrieger des modernen PR-Journalismus ist. Leber jedenfalls wird nicht fürs Reflektieren bezahlt. Er soll Stimmung machen, weshalb er auch ohne Umschweife, wie in einem Schulaufsatz von Viertklässlern (Meine schönsten Ferienerlebnisse) weiter fröhlich von seiner gesponserten Tour durchs von detonierenden Granaten durchwühlte polnische Übungsgelände berichtet:
"20 Kilometer südlich des „Camp Karliki“ genannten Lagers steht Captain Terry Battison auf einer Aussichtsplattform. Vor ihm ein riesiges freies Feld, auf dem vier Panzer und sechs gepanzerte Fahrzeuge abwechselnd vor- und zurücksetzen. Sie feuern auf Holzgestelle in der Ferne. Man sieht erst das Mündungsfeuer, nach einer Sekunde hört man den Knall."
Und nun aufgepasst liebe Kinder: Der Onkel Battison aus Ohio erklärt euch die Welt:
"'Physik', sagt Battison",
und er hat noch einen kleinen Trost für alle, die dereinst, wenn die Kriegstreiber dieser Welt wieder einmal alle anderen niedergebrüllt haben, im Granatfeuer für Ruhm Ehre, Vaterland und natürlich für die gesamte westliche Welt ganz unpathetisch ins Gras beissen:
"Deshalb wirst du die Kugel, die dich tötet, niemals hören."
Sebastian Leber hat wohl das Gefühl uns die inneren Beweggründe des Berufssoldaten Terry Battison, warum er durch die Welt reist und Leute totschießt, etwas näher zu bringen. So sollen wir auf keinen Fall annehmen, der Beweggrund für Terry Battison sei,
"dass die Armee für viele die Chance zum sozialen Aufstieg ist, denn wer sich für drei Jahre verpflichtet, startet mit mindestens 2000 Dollar netto im Monat und hat gute Chancen auf ein College-Stipendium."
Terry ist Patriot. Nur hehre ethisch einwandfreie Gründe liessen ihn zum Killer werden:
"Terry Battison ist 35 und in Ohio aufgewachsen. Dass er zur Armee ging, sagt er, hing mit den Anschlägen vom 11. September 2001 zusammen. 'Ich hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen.' "
 Was jetzt das sinnentleerte Ballern von Kettenfahrzeugen auf polnischen Truppenübungsplätzen mit dem 11. September 2001 zu tun haben soll, bleibt ungeklärt. Es scheint wohl seine Begründungung in der Tatsache zu haben, dass der "War on Terror" jede Schandtat der USA entschuldigt, Ob Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien, der Drohnenterror in Pakistan, Jemen, Somalia oder die widerlichen Regimechangeversuche in Georgien, der Ukraine, Honduras, Ägypten oder Myanmar, der 11. September 2001 rechtfertigt jegliches Morden, Vergewaltigen, Aushungern und verwüsten fremder Länder.

 Eine Tatsache, der auch die nächste, von Leber geschilderte Szene nur bei ihm euphorische Freude aufkommen läßt, bei den meisten Leserinnen und Lesern seine Pamphletes aber eher Bilder des Grauens aus dem Vietnamkrieg, aus Afghanistandem Irak oder aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu hervorrufen:
"...von Süden nähern sich zwei tieffliegende Apache-Kampfhubschrauber. Einer der Soldaten sagt: 'Da kommt die Freiheit.'"
Es darf angenommen werden, das die Menschen des Südens unserer Erdkugel, sich die Freiheit ein kleinwenig anders vorstellen und bei solchen Bildern gewohnheitsmässig zusammenzucken und eiligst Deckung suchen:
"Die Apaches haben ihr Ziel schnell erreicht, bleiben in der Luft stehen, feuern Raketen und Kugelsalven. Sie lassen an diesem Tag keinen Holzgegner übrig."
Leber berichtet lieber noch über ein paar Belanglosigkeiten aus dem, ach so lustigem Soldateneben, z. B.:
"dass Panzerfahren in Polen angenehmer ist als in Kuwait, weil die Abrams zwar über Heizungen, nicht aber über Klimaanlagen verfügen, …dass sich die Soldaten über die deutschen Leopard-Panzer wundern, weil diese noch mit Diesel betrieben werden, …dass manche Einheiten bereits zum Bemalen von Keramiktassen eingeladen wurden, eine Spezialität der Region, und dass dies am Ende tatsächlich Spaß gemacht habe."
Mit diesem eleganten Schwenk ist Sebastian Leber dann beim zweiten Teil seiner Aufgabe angelangt: Der Völkerverständigung:
"Das überrascht in diesen Tagen im Westen Polens am meisten: wie ein Konflikt zwischen der mächtigsten und der zweitmächtigsten Streitmacht der Welt gleichzeitig zum Fest der Völkerfreundschaft und Verständigung geraten kann."
 Wer das jetzt für ausgemachten Schwachsinn hält und die Argumentation in ihrer Schlüssigkeit mit jener die behauptet "Nachts ist es kälter wie draußen" in etwa auf demselben intellektuelln Niveau sieht, der wird umgehend eins Besseren belehrt. So weiß Leber von einer Begebenheit aus dem vergangenen Februar zu berichten, die er zwar nicht selbst miterlebt hat, die ihn aber mit der Wärme der inneren Zufriedenheit erfüllt:
"In Boleslawiec, einer 40 000-Einwohner-Stadt nahe Zagan, wurden die Soldaten im Februar mit einer Feier begrüßt. In der Fußgängerzone standen Raketenwerfer, Konfetti-Kanonen schossen in die Luft, dazu ertönte die Musik aus „Rocky“ - und oben auf der Bühne behauptete der Brigade-Kommandeur ernsthaft, er blicke hier, auf dem Marktplatz von Boleslawiec, auf die großartigsten Menschen der ganzen Welt." 
Nach solch Schmeicheleien nimmt es nicht wunder, dass auch die betroffenen Polen voll des Lobes für ihre Beschützer sind:
"Montagnachmittag im Rathaus von Zagan. Bürgermeister Slawomir Kowal lädt zu einer Pressekonferenz, um den positiven Einfluss der Soldaten auf seine Stadt zu loben."
Zwar hat der hochverehrte Herr Bürgermeister zunächst noch nur den schnöden Mammon im Auge:
"Wegen der Gäste aus Übersee hätten neue Restaurants eröffnet, "
findet aber erstaunlich schnell zu der nicht kommerziellen, eher auf den Werten von Freundschaft und tätiger Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe beruhenden Sichtweise zurück:
"Einige Soldaten der jetzt abreisenden Brigade hätten an Schulen beim Englischlernen geholfen. Andere hätten auf dem Marktplatz kleine Geschenke an Kinder verteilt. Slawomir Kowal lässt keinen Zweifel daran, dass die US-Truppen das Beste sind, was seiner Gemeinde passieren konnte."
Da will auch das gemeine polnische Volk nicht abseits stehen. Vom einsetzenden Dollarregen etwas schwindelig geworden, singt sie das Lied vom "Big Spender":
"Wer durch die Innenstadt von Zagan spaziert und Einheimische fragt, wie sich die US-Soldaten bisher benommen haben, bekommt eine einhellige Antwort: Extrem höflich sind sie. Angenehm, unauffällig und zuvorkommend. Nie laut oder sonst wie störend."
In eben dieser "Innenstadt von Zagan, ...am Rand der Fußgängerzone":
"...stehen sechs junge US-Soldaten in Zivil vorm Geldautomaten und ziehen sich ihre ersten Zlotys. Jeder erst mal 200, das sind 55 Dollar. Einer sagt, die Gegend erinnere ihn an Oregon. So viele Bäume überall",
und er äußert den Wunsch, den wohl jeder junge Soldat hat, wenn er in einem fremden Land, fern der Heimat stationiert wird:
"Die nächsten neun Monate möchte er nutzen, um möglichst viel polnische Kultur und Geschichte kennenzulernen."
 Leber scheint kein verschrobenes Klischee zu schmierig um sein Bild von der kultivierten Kriegführung und dem Ethos der Schlachthäuser auszumalen.

 Etwas realistischer für einen jungen Mann, dem für Wochen kaserniert, drohen die Hormone durchzugehen, scheint der Wunsch seines Kumpels:
"Ein anderer sagt, er möchte lieber eine polnische Freundin."
Leber scheint auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt. Leider nur für kurze Zeit. Schon die nächsten Sätze zeugen wieder von seinem missionarischen Eifer, der auch von der Lächerlichkeit der er sich preisgibt nicht gestoppt werden kann:
"Dann werden sie hektisch und drücken ihre Zigaretten aus. Da hinten nähert sich eine Frau mit Kinderwagen. Das Baby soll keinen Rauch abkriegen, sagen sie."
 Ja wenns jetzt ein verdammter Russenbalg, oder eine Islamistenbrut wäre, dann wäre es die heilige Pflicht der Soldaten kurzen Prozess zu machen - sofort erschiessen - aber ein kleines süsses polnisches Kind, da werden die Herzen weich.

 Merkt Leber nicht welchen Schwachsinn er da absondert? Oder will er es nicht merken: Die jungen Soldaten sind zu Kampfmaschinen, zu Tötungsmaschinen ausgebildet und sie sind in Polen nur zu einem Zweck: Wenn sie den Befehl erhalten, dann werden sie jeden töten, der sich ihnen in den Weg stellt, ob Pole, Deutscher, Litauer oder Russe. Sie werden ohne zu fragen Städte, ob Zagan oder Bagdad, dem Erdboden gleich machen. Sie werden die Böden vergiften und die Flüsse zu Chemiekloaken machen, auf denen tausende von Leichen stromabwärts treiben. Sie werden von Polen, von Europa nichts übriglassen als eine strahlende Wüste, für zehntausende von Jahren unbewohnbar bleibt - und dieser Möchtegern-Journalist will uns eine rührseelige Geschichte von sechs jungen Männern erzählen, die ihre Zigaretten austreten um ein kleines Kind nicht dem schädlichen Rauch auszusetzen?

 Gäbe es eine Ekelskala für Ergüsse aus deutschen Redaktionsstuben, so hätte sich Sebastian Leber vom Tagesspiegel mit seiner Homestory aus einem der Hotspots realpolitischer Kriegstreiberei sicherlich einen der Spitzenplätze verdient. Leider gilt aber der Ansporn an seine Kollegen auch weiterhin: Schlimmer geht immer.

Freitag, 27. Oktober 2017

SPD feiert Sacharow-Preis für Putschisten und Neonazis genau wie der Front National Marine Le Pens und die Partij voor de Vrijheid von Geert Wilders

 Da ist sie glücklich, die bei der letzten Bundestagswahl so stark von den Wählern abgestrafte und dezimierte Fraktion der Sozialdemokraten:
"Sacharow-Preis für Opposition in Venezuela",
war die Pressemitteilung die Frank Schwabe, unter dem Briefkopf der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, in eine überaus irritierte Welt posaunte.

Screenshot: SPD

 Schwabe, der seit 2005 für die SPD im Bundestag sitzt, ist deren "Fraktionssprecher für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe". Da Schwabe daher für die SPD-Fraktion spricht, ist anzunehmen, dass also die gesamte Fraktion voller Begeisterung ist, für die Entscheidung des Europaparlamentes, der Opposition in Venezuela den diesjährigen Sacharow-Preis zu vermachen:
"Der Sacharow-Preis des Europaparlaments steht für Menschenrechte und Grundfreiheiten. Es ist eine gute Entscheidung, in diesem Jahr die demokratische Opposition in Venezuela zu würdigen und politisch zu stärken....Es würdigt in dem autoritären Staat den Mut der Regimekritiker, die ihren Einsatz für Demokratie und Menschenrechte mit Schikanen, Haft und Folter bezahlen."
 Gar geplanten Völkermord sieht Schwabe in dem Südamerikanischem Land heraufziehen. Er verdächtigt die Maduro-Regierung, die eigene Bevölkerung systematisch auszuhungern:
"Nur noch das Militär und regierungstreue Kader kommen an Lebensmittel."
Die Preisträger 

Wer sind nun aber diese mutigen "Regimekritiker"? Namentlich erwähnt werden vom EU-Parlament z. B. Antonio Ledezma, Leopoldo López und Lorent Saleh. Die Internetseite "amerka21" nennt einige der Demokratie- und Menschrechtsaktivitäten:

  • Antonio Ledezma: Der ehemalige Bürgermeister des Großraums Caracas war mitverantwortlich für die militärische Niederschlagung sozialer Unruhen 1989. Bei dem sogenannten Caracazo kamen hunderte, wenn nicht tausende Menschen ums Leben. Ledezma steht derzeit unter Hausarrest und wartet auf den Prozess wegen Beteiligung an Putschvorbereitungen im Jahr 2015;
  • Leopoldo López: Der Politiker der rechtspopulistischen Partei Voluntad Popular (Volkswille) gehörte zu den aktiven Unterstützern eines blutigen Putschversuches im Jahr 2002 und nahm an der Entführung eines gewählten Ministers der Regierung von Ex-Präsident Hugo Chávez (1999-2013) teil. López verbüßt derzeit eine 14-jährige Haftstrafe wegen Anstachelung zu blutigen Unruhen im Jahr 2014. Das Oberste Gericht wandelte seine Haftstrafe am 8. Juli in einen Hausarrest um;
  • Lorent Saleh: Von den Befürwortern der Preisentscheidung in diesem Jahr als "Student und Aktivist" bezeichnet. Saleh wurde in Venezuela inhaftiert, nachdem er im Nachbarland Kolumbien Kontakte zu Neonazis und rechtsextremen Paramilitärs aufnahm, um in Venezuela einen bewaffneten Kampf zu beginnen. Saleh sorgte auch für Kontroversen, weil er Homosexualität und Pädophilie gleichsetzte.
Hinzu kommt Julio Borges, seines Zeichens Parlamentspräsident. Über ihn schreibt Wikipedia:
"Seit Hugo Chávez venezolanischer Präsident wurde, ist Borges ein lautstarker Kritiker der Regierung. Er und seine Partei unterstützten den Staatsstreich im April 2002. Seine Partei unterstützte offen den „Ölstreik“ 2002/2003. Borges wurde von der Regierung vorgeworfen, städtische Unruhen zu unterstützen, sich gegen die Regierung zu verschwören und ein Agent der CIA zu sein."
Das Borges natürlich bestreitet ein CIA-Agent zu sein, wird wohl ernsthaft niemanden überraschen.

So sieht sie aus, die neue SPD

Apropo Wikipedia: Zu dieser Seite pflegt auch der Menschenrechtsbeauftragte der SPD-Faktion Frank Schwabe ein besonderes Verhältnis:
"Schwabes Wikipedia-Artikel wurde öfter geändert und der Hinweis entfernt, dass er in keinem seiner Studienfächer einen Abschluss gemacht hat. Nach einer Recherche der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gab Schwabe dann zu, dass sich sein Büro darum kümmere".
Aber das nur nebenbei.

 Schwabe ist übrigens nicht von dem so oft beschworenem Neuanfang der SPD nach der desaströse Wahl vom 24. September betroffen. Er hatte dieses Amt bereits schon in der letzten Legislaturperiode inne.

 Ein Neuanfang scheint sich allerdings in der politischen Ausrichtung der SPD und ihrer Bundestagsfraktion unter der genialen Strippenzieherin Andrea Nahles zu manifestieren. Nachdem der rechte Seeheimer Kreis so ziemlich alle zu vergebenen Posten unter seinen eigenn Mitgliedern verteilt hat (im Wettbewerb um den Posten des Vizepräsidenten des Bundestages zogen die zwei weiblichen Konkurrentinnen des Seeheimers Thomas Oppermann, Ulla Schmidt und Christine Lambrecht überraschend ihre Kandidatur zurück: Ein Schelm wär böses denkt) scheint man jetzt auch an einem Rechtsruck in der Politik selbst zu arbeiten.

Oppermann und seine Kungelpartnerin Nahles erhielten übrigens bei der Abstimmung im Plenum des Deutschen Bundestages von den Abgeordneten eine schallende Ohrfeige. Der Kandidat der SPD bekam nur 396 Ja-Stimmen, 220 Abgeordnete stimmten gegen ihn und 81enthielten sich der Stimme. Sogar die Kandidatin der Linken, Petra Pau konnte ein besseres Ergebnis vermelden. Sie bekam 456 Ja-Stimmen. Oppermanns Vorgängerin, die, sich selbst aufopfernd, auf eine Kandidatur verzichtende Ulla Schmidt, hatte 2013 noch 520 Stimmen für sich verbuchen können.

Die SPD und die Europäische Rechte

 Besonders pikant: Die von Frank Schwabe  und der SPD-Fraktion so enthusiastisch gefeierte Vergabe des Sacharow-Preises kam unter tätiger Mitwirkung der ENF-Fraktion im EU-Parlament zustande. ENF ist die Abkürzug für "Europe of Nations and Freedom". Die ENF ist die Fraktion der Rechtspopulisten und Rechtsradikalen im Europaparlament. In ihr haben sich solche politischen Schmuddelkinder wie die
  •  Vlaams Belang (VB), aus Belgien, 
  • die Lega Nord (LN) aus Italien, 
  • die Partij voor de Vrijheid (PVV) Geert Wilders aus den Niederlanden, 
  • die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) aus Österreich und dem 
  • Front National (FN) Marine Le Pens aus Frankreich 
zusammengeschlossen. Aus Deutschland gehört Marcus Pretzell, Ehemann von Frauke Petry und bis zu seinem Austritt aus der Partei, Landesvorsitzender der AFD in Nordrhein-Westfalen der Rechtsaussen-Fraktion an. Bahnen sich da etwa erste zarte Bande zwischen SPD und AFD im Bundestag an? Schliesslich teilt man ja gemeinsam die harten Bänke der Opposition.

 Das man diese skandalöse, und nur dem Ziel aller Rechten geschuldete Absicht, die sozialistische Regierung in Venezuela so schnell wie möglich zu Fall zu bringen, Preisverleihung an Putschisten, Neonazis und Aufwiegler zu Gewaltakten, auch anders sehen kann, dokumentierte die Fraktion der Linken im Europaparlament GUE/NGL. Sie kündigte an, der Preisverleihung an die
"Vertreter der extremen Rechten, die kein Interesse an der Wiederherstellung der Demokratie haben",
fern zu bleiben.

Wie schreibt doch der "menschenrechtspolitische Sprecher" der SPD-Fraktion Frank Schwabe:
"Venezuela hat den Weg der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verlassen".
 Mir scheint, in der SPD sollte man aufpassen, nicht den gleichen Weg zu gehen. Undemokratisches Postengeschacher, geistige Annäherung an die Rechtspopulisten in Europa und ein "menschenrechtspolitischer Sprecher", der Menschenrechte scheinbar ausschliesslich an der politischen Orientierung der Betroffenen ausrichtet sind nicht gerade ein Beleg für besondere Nähe zu Freiheit und Demokratie. - Einmal ganz abgesehen von der, von Sozialdemokraten in ihren Sonntagsreden so gern zitierten Solidarität aller Demokraten.

Dienstag, 24. Oktober 2017

Verdeckt rassistische Wertung von Menschenleben bei ARD-Aktuell?

Am Samstag, den 14. Oktober kam es in der somalischen Hauptstadt Mogadischu zu einem entsetzlichen Terroranschlag. Als dort ein LKW in die Menschenmenge fuhr und anschliessend auf einer grossen Kreuzung seine Sprengstoffladung zündete starben mindesten 300 Menschen und viele Hunderte wurden zum teil schwer verletzt. Einer der schwersten Terroranschläge, die die Welt bisher erlebt hat.

Samstag 14. Oktober:
 Die ARD brachte in ihren Tagesthemen um 23:30 eine Kurzmeldung von 24 Sek. in der Rubik „Weiter Meldungen im Überblick“ zwischen einer Meldung um die bevorstehende Einnahme der syrischen Stadt Rakka durch die, wie es hieß, von den USA geführte Koalition und einer Meldung über die Waldbrände in Kalifornien (26 Sek.).

Selbst ein Beitrag über den Hollywood-Grabscher und Filmproduzenten Harvey Weinstein schien den Machern der Sendung um einiges wichtiger zu sein als die Opfer der Bluttat von Mogadischu. 2 Minuten und 58 Sekunden lang empörten sich die Tagesthemen über einen Fall sexueller Gewalt. Dabei ist das Phänomen der Besetzungscouch doch allenthalben bekannt, seitdem in Hollywood Filme gedreht werden. Bedauerlich für die Opfer, aber sicherlich keine weltweite Sensationsmeldung.

Sonntag 15. Oktober:
 Am Tag darauf, am Sonntag den 15. Oktober befleißigte sich die Tagesschau dann weiter ihre Zuschauer auf dem laufenden zu halten. In der knapp dreiminütigen Sendung um 12:00 Uhr war das scheinbar wichtigste Thema ein Ausblick auf die am gleichen Tag stattfindenden Landtagswahlen in Niedersachsen (40 Sek.).

 Ein Ausblick auf die Nationalratswahlen in Österreich, die ebenfalls an diesem Sonntag stattfanden wurde an zweiter Stelle gesendet und war DR. Gniffke und seiner Crew immerhin noch 28 Sekunden Sendezeit wert. Ebenso lang geriet der Bericht aus der Frankfurter Paulskirche, wo die kulturelle Elite des Landes sich versammelt hatte um den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood zu verleihen.

 Bevor man sich abschließend noch 30 Sekunden Zeit nahm um den Sieg des Deutschen Patrick Lange bei dem auf Hawaii stattfindenden Ironman-Wettbewerb gebührend zu feiern, blieben gerade einmal 21 Sekunden Zeit für die Meldung von zu diesem Zeitpunkt bereits angenommenen 90 Todesopfern in der Somalischen Hauptstadt.

 Auch um 13:15 Uhr hatte die Tagesschau 21 Sekunden für die gleichen, uninteressanten und uninspirierten Agenturfilmchen aus Mogadischu, unterlegt mit deutschem Kommentar, bevor wieder Harvey Weinstein die gesamte Aufmerksamkeit des gerade mit dem Sonntagsbraten vollgetopften Publikums galt. Die Oskar-Akademie habe den Badfinger nun aus ihren Reihen ausgeschlossen. Eine Meldung deren Brisanz, die satten Zuschauer, die schon im Begriff waren in den wohlverdienten Mittagsschlaf hinüberzudösen (28 Sek.), noch einmal hellwach werden liessen.

 Dermassen aufgeschreckt schob Dr. Gniffke noch eine Meldung von der Ostküste der USA nach. Die Waldbrände waren wieder da. 36 Sekunden Rauch, Flammen und heldenhaft kämpfende Feuerwehrleute, 10.00 sollten laut Tagesschau im Einsatz sein. Feuerlöschflugzeuge und Hubschrauber illustrierten die Meldung von ca. 40 Todesopfern, rund 200 vermissten Personen 5.700 zerstörten Gebäuden und Milliarden Dollar Wiederaufbaukosten.

 Zur Hauptmeldung hatte sich in der Zwischenzeit der Sieg des Deutschen Patrick Lange beim Ironman auf Hawaii entwickelt. 1 Minute und 50 Sekunden sonnte sich die Tagesschau im Ruhm des Extremsportlers.

 In ihrer Ausgabe um 17:15 hielt es die Tagesschauredaktion in Anbetracht der auf eine Anzahl von mindestens 230 Menschen die gestorben sind und der angenommenen 275 Verletzten signifikant angestiegenen Opferzahlen des Terroranschlags in Mogadischu für geboten, diesen Menschen auf ihre Art ihre Ehrerbietung entgegenzubringen. Sie verlängerte ihre Sendezeit von bisher 21 auf 31 Sekunden.

 Hollywood-Grabscher Harvey Weinstein, dem sexuelle Nötigung vorgeworfen wird und der sie wohl alle auf sein Couch zwang, bekommt von der Tagesschau eine Sendezeit von fast zwei Minuten eingeräumt. Dieses Missverhältnis an Aufmerksamkeit in den westlichen Medien sollte die Taliban stutzig machen. Vielleicht sollten sie in Zukunft weniger bomben und morden, als mehr durch die westlichen Innenstädte laufen und an Po und Busen grabschen. Reichlich Sendeplatz bei ARD-Aktuell wäre ihnen gewiss.

 Um 20:15 Uhr war natürlich die Niedersachsenwahl Thema Numero eins. Danach widmete sich die Tagesschau noch der Nationalratswahl in Österreich. Nach 12:56 Minuten dann der Terroranschlag in Mogadischu, der sich also zwischenzeitlich auf einen erstaunlichen dritten Platz in den Nachrichten gemausert hatte. Ein Umstand, der sich allerdings bei Inhalt und Länge des Beitrags nicht bemerkbar machte.

 Selbst die AFD-Truse Dana Guth durfte sich 34 Sekunden lang spreizen und der ebenfalls rechtspopulistische Heinz-Christian Strache von der Österreichischen FPÖ konnte 11 Sekunden kraftmeiern, nachdem uns die Tagesschau zuvor 8 Sekunden lang in den Genuss von Bildern aus einem Bierzelt der „Freiheitlichen“ hatte kommen lassen. Da blieben dann für die nun bereits annähernd 300 Todesopfer im fernen Somalia eben nur 29 Sekunden Sendezeit übrig.

 Wie schon am Tag zuvor war die Katastrophe von Mogadischu den Tagesthemen nur eine Erwähnung in der Rubrik „Weitere Meldungen im Überblick“ von 24 Sekunden Länge wert. Zwar rang sich Caren Miosga in der Anmoderation ein paar bedauernde Worte ab:
„Gestern wurde Somalias Hauptstadt Mogadischu von einem schweren Bombenanschlag erschüttert. Wie schwer er tatsächlich war, dass wurde erst heute deutlich“.
Am Beitrag aber hatte sich gegenüber des Filmchens in den 20:00 Uhr-Nachrichten nichts geändert. Die ARD weigerte sich weiterhin der menschlichen Tragödie in der somalischen Hauptstadt einen dem Ausmaß entsprechenden Raum in ihren Nachrichtensendungen einzuräumen.

Montag 16. Oktober:
In den Kurznachrichten der Tagesschau am Morgen des 16. Oktober fand der Terroranschlag in Mogadischu nicht mehr statt. Erst in der fünfzehnminütigen Sendung um 12:00 Uhr war ein Plätzchen von 27 Sekunden Länge für eine Meldung übrig. Aber erst nachdem Klaus-Rainer Jackisch seinen üblichen Business-Müll, in einer Schalte aus der Börse in Frankfurt unter das wissbegierige Volk gebracht hatte:
„Es gibt durchaus Sorgen, dass sich die Regierungsbildung auf Bundesebene nach dieser Landtagswahl in Niedersachsen nun noch weiter hinschleppt und noch schwieriger wird. Und nichts mag man hier weniger als Unsicherheit und eine lange Dauer bis so eine Regierungsbildung entsteht. Hinzu kommt natürlich, dass sich der Katalonienkonflikt immer weiter zuspitzt mit zunehmden wirtschaftlichen Folgen, sodaß die Anleger sich heute zurückhalten. Dennoch ist der deutsche Aktienindex über dreizehntausend Punkten mit einem kleinen Plus von 22 Punkten gegenüber Freitag…“
 Irgendeine Agentur hatte wohl neue Bilder geliefert: Um 14:00 am 16. Oktober, also ganze zwei Tage nach dem schrecklichen Ereignis, dann ein erstes Lebenszeichen vom Auslandsstudio der ARD in Nairobi. Die Sendeanstalt in Deutschland, die sich doch immer so viel auf ihre Auslandsstudios einbildet, verfügt in Nairobi über ein Studio mit zwei Fernseh- und einer Hörfunkjournalistin, die für 38 afrikanische Länder, von Niger und dem Tschad im Norden bis Sambia im Süden und vom Senegal und Gambia im Westen bis Somalia im Osten quer über den Kontinent verantwortlich sind. Dazu kommen noch die Inseln der Seychellen und Komoren, Madagaskar und Mauritius. Die Frage, wie unter diesen Umständen eine halbwegs vernünftige Berichterstattung zustande kommen soll, kann wohl nur jemand positiv beantworten, für den ja „da unten alles irgendwie Afrika ist und die Menschen dort alle irgendwie schwarz“.

 Immerhin, Caroline Hoffman aus dem Studio Nairobi hatte einen Beitrag von 1:30 Minuten aus Agenturmaterial zusammengeklöppelt und mit einem eigenen Kommentar versehen, sichtlich bemüht, den Konflikt in Somalia auf eine Auseinandersetzung zwischen der Regierung Mohamed Abdullahi Mohamed und den radikalislamistischen Al Shabaab Milizen einzugrenzen. Obwohl Al Shabaab erst ab 2007 eine führende Rolle im somalischen Bürgerkrieg zu übernehmen begann.

Die frühen 1990er Jahre und das Öl
In die Schlagzeilen der Weltpresse geriet der Konflikt in Somalia zum ersten Mal, als vor etwas mehr als 24 Jahren, am 3. und 4. Oktober 1993 in der sogenannten "Schlacht von Mogadischu" 18 US-Soldaten, ein Soldat aus Malaysia und etwa 1000 somalische Kämpfer und Zivilisten getötet wurden. Zwei Kampfhubschrauber wurden abgeschossen und mehrere getötete Mitglieder der Besatzungen unter dem Gejohle des Pöbels, nackt durch die Straßen Mogadischus geschleift.

 Diese schwere Niederlage führte dazu, dass die USA ihre Truppen, die an einer UNO-Mission teilgenommen hatten, im März 1994 aus Somalia zurückzogen.

1992 waren die erst US-Soldaten deren Kontingent sich zeitweise auf 30.000 Mann vergrößerte, in Somalia an Land gegangen. Offiziell sollten sie helfen eine große Hungersnot zu bekämpfen, die zum Zeitpunkt der US-Landung allerdings schon weitgehend überwunden war. Schon bald aber kamen Zweifel auf, an den rein altruistischen Beweggründen der USA.

In Somalia wurde Oil und Gas in nicht unbeträchtlichen Mengen vermutet. Die Heritage Foundation schreibt in ihrer 2014 erschienen Studie:
"Oil in Somalia - Adding Fuel to the Fire?":
"In Ostafrika wurden etwa 10 Prozent aller Bohrlöcher in Somalia gebohrt (Abiikar, 2012). Während die Exploration in dieser jüngsten und in vielerlei Hinsicht extremsten Kohlenwasserstoff-Grenzregion in den letzten Phasen bleibt, liegen Schätzungen zufolge die Ölreserven des Landes auf 110 Milliarden Barrel und liegen damit auf Augenhöhe mit Kuwait (United Press International, 2012)."
Bereits 25 Jahre zuvor, noch zu Regierungszeiten von Präsident Siad Barre hatten sich vier US-amerikanische Ölmultis zweidrittel de Fläche Somalias für die Suche nach Öl und Gas gesichert.
"Dieses Land könnte nach Ansicht von Geologen und Industriequellen beträchtliche Mengen an Öl und Erdgas liefern, wenn die von den USA geführte Militärmission den Frieden in der verarmten ostafrikanischen Nation wiederherstellen kann", 
schreibt Mark Fineman am 18 Januar in der "Los Agelas Times" in seinem Artikel "The Oil Factor in Somalia". Eine Depesche der US-Botschaft in Mogadischau aus dem März 1990 gibt Auskunft über die Bemühungen der Conoco Inc., einem der vier Konzerne und dessen enge Beziehungen zur US-Regierung.

 Fineman schreibt über den Beginn der US-Intervention in Somalia:
"Conoco, dessen unermüdliche Explorationsbemühungen in Nord-Zentral-Somalia kurz vor Siad Barres Sturz die ermutigendsten Aussichten geweckt hatten, erlaubte es, seine Mogadischu-Firmenzentrale einige Tage vor der Landung der US-Marineinfanterie in eine de facto amerikanische Botschaft zu verwandeln, mit Bushs Sonderbeauftragtem, der es als sein vorläufiges Hauptquartier benutzte. Darüber hinaus erhielt der Präsident der Tochtergesellschaft des Unternehmens in Somalia hohes offizielles Lob dafür, dass er in den Monaten vor und während der US-Intervention als freiwilliger "Vermittler" der Regierung fungierte.
Die Los Angeles Times zitiert einen Somaliaexperten:
"Was bleibt ist, dass alle denken, die große Frage sei hier nicht die Hungerhilfe, sondern das Öl - wenn die Ölkonzessionen, die unter Siad Barre gewährt wurden, übertragen werden, und wenn der Frieden wiederhergestellt wird, ist es potenziell Milliarden Dollar wert und glauben sie mir, so sieht das ganze Spiel aus." 
Der Krieg gegen den Terror
Am 28 November 2002 lenkten drei Männer ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in ein Hotel im kenianischen Kikambala. Dabei kamen die Attentäter und dreizehn weitere Menschen ums Leben, 80 wurden verletzt. Fast zeitgleich feuerten zwei Männer mit Boden-Luft-Raketen auf eine israelische Passagiermaschine. Beide Raketen verfehlten die Maschine nur knapp. Daraufhin begann eine Jagd nach den Hintermännern der Angriffe in ganz Ostafrika. Dabei stand Somalia im Zentrum des Interesses. Schon zuvor hatten die USA eine enge Zusammenarbeit mit den Warlords gepflegt, wie aus einer von WikiLeaks veröffentlichten Depesche des Botschafters Bellamy in Nairobi, Kenia vom 02. Juni 2002 hervorgeht. In der Folge errichtete diese „Alliance for the Restoration of Peace and Counterterrorism“ (ARPCT) wie sie von den USA genannt wurde, eine wahre Schreckensherrschaft.

Der US-amerikanische Journalist Jeremy Scahill schreibt in seinem Buch „Schmutzige Kriege“:
„In der Annahme, sie hätten die Rückendeckung Washingtons, entwickelten sich Qanyare (ein Warlord, den Scahill interviewt hatte) und seine CIA-gestützten Verbündeten von Gangstern, die um Territorien konkurrierten, zu paramilitärischen Milizen, die unter dem Vorwand des Kriegs gegen den Terrorismus ihre Aktivitäten rechtfertigten. CIA-Agenten und Spezialeinsatzkräfte flogen regelmäßig von Nairobi nach Mogadischu, im Handgepäck Geld und Listen mit Verdächtigen, die Washington beseitigen wollte.“
 Bereits seit dem Sturz von Siad Barre 1991 hatten islamistische Gerichtshöfe in weiten Teilen Somalias die  Verwaltung übernommen. Sie trafen auf breite Unterstützung der Bevölkerung, die in einem gesetzesfreien Raum lebend, der Willkür der einzelnen Warlords ausgesetzt war. Dabei waren diese Gerichtshöfe durchaus unterschiedlich in ihrer Interpretation islamischer Gerichtsbarkeit. Das Spektrum reichte von durchaus liberaler Auslegung der Sharia bis hin zu radikalislamistischen Ansichten. Mit der Zeit schlossen sich immer mehr dieser Gerichtshöfe zusammen. Im Jahr 2000 wurde die Islamic Courts Union (ICU), die Union islamischer Gerichte gegründet. Die ICU brachten nach langer Zeit wieder eine verlässliche Ordnung in das Land. Aus diesem Grund waren sie in der Bevölkerung sehr geschätzt.

 Die USA sahen in der ICU allerdings einen Gegner in ihrem Krieg gegen den Terror. Sie unterstützten massiv die Clanmilizen, die der Bevölkerung zutiefst verhasst waren. Die ICU war aber nach Aussage fast aller Experten eine echte Volksbewegung mit rein innersomalischen Zielen. Sie wollte Ruhe und Ordnung und eine gewisse Staatlichkeit wiederherstellen. Sie hatte keinerlei Verbindung zu Al Quaida oder gar zu Osama Bin Laden. Die Bush-Regierung aber sah in der Union islamischer Gerichte einen Feind.

Salim Lone, ein Kolumnist der Daily Nation in seinem Heimatland Kenia und zuvor 21 Jahre tätig bei der UN, schreibt am 04. Januar 2007 in "The Nation"
"Washington beschloss jedoch, die Situation nur durch das Prisma seines "Krieges gegen den Terror" zu betrachten. Die Bush-Administration unterstützte die Warlords - in Verletzung eines UN-Waffenembargos, das sie vor vielen Jahren gegen Somalia verhängt hatte - und schleusten Waffen und Koffer voll mit Dollars ins Land."
 So kam es zu schweren Kämpfen im ganzen Land, vor allen Dingen aber in der Hauptstadt Mogadischu. Am 5. Juni 2006 konnte die ICU den Sieg über die „Alliance for the Restoration of Peace and Counterterrorism“ (ARPCT) verkünden und deren vollständige Vertreibung aus Mogadischu. Sogar Wikipedia muss anerkennen:
"In Mogadischu wurde unter der Herrschaft der Union erstmals seit 16 Jahren ein gewisses Maß an Frieden und Ordnung hergestellt."
 In Washington schrillten allerdings die Alarmglocken, als die ICU auch auf den Sitz der von den USA eingesetzten Operettenregierung, Baidoa, zumarschierte. Äthiopische Truppen ausgerüstet geschult und finanziert von den USA drangen am 24 Dezember 2006 in Somalia ein und bekämpften die ICU. Salim Lone schreibt in "The Nation":
"Wieder unter Verstoß gegen das Waffenembargo der Vereinten Nationen entsandte Äthiopien 15.000 Soldaten nach Somalia."
Bereits am 27. Dezember räumte diese Mogadischu, zumindest offiziell.

 Am 22. Februar allerdings meldet BBC im Zusammenhang mit einem Mörserangriff auf den Flughafen von Mogadischu:
"Die Übergangsregierung sagt, dass rund 3.500 Islamisten in Mogadischu verblieben sind, die sie der Durchführung terroristischer Attacken beschuldigt.Einige Islamisten hatten damit gedroht, einen Guerillakrieg zu beginnen, nachdem sie im Dezember aus der Hauptstadt vertrieben worden waren."
Die Äthiopischen Truppen gebärdeten sich sehr bald wie ein brutales Besatzungsregime und verloren auch noch die letzte Reputation in der somalischen Bevölkerung. Die Anschläge nahmen bedenklich zu. Die USA reagierten. Salim Lone schreibt:
"Die Vereinigten Staaten, deren Truppen von kenianischen Journalisten in der an Somalia angrenzenden Region gesichtet wurden, wandten sich nun an den UN-Sicherheitsrat. In einem weiteren feigen Akt, der seiner post-facto-Legalisierung der US-Besetzung des Irak ähnelt, beugte sich der Rat vor dem Druck der USA und ermächtigte eine regionale Friedenstruppe, nach Somalia einzureisen, um die Regierung zu schützen und Frieden und Stabilität wiederherzustellen. Die Vereinten Nationen haben im Rahmen ihrer Charta kein Recht, im Namen einer der Parteien um die politische Vorherrschaft zu kämpfen, und Frieden und Stabilität waren bereits von den Islamisten wiederhergestellt worden."
Dem Unrechtsakt des Einmarsches der äthiopischen Truppen folgte also sogleich das nächste Vergehen gegen das Völkerrecht. Aber so konnte die BBC dann am 22. Februar vermelden:
"Etwa 4.000 Soldaten aus Uganda, Nigeria, Malawi, Ghana und Burundi sind bereit, äthiopische Truppen zu ersetzen, die sich zurückgezogen haben."
Der somalische Untergrund antwortete prompt:
"Wir versprechen, dass wir sie mit Kugeln aus schweren Geschützen, explodierenden Autos und jungen Männern begrüßen, die bereit sind, Selbstmordattentate gegen diese Kolonialkräfte durchzuführen" 
Al Shabaab war geboren und unterhielt in der Zukunft enge Beziehungen zu Al Quaida. Der Terror war zurück in Somalia.

 In den USA war man sich dieser Entwicklung schon längere Zeit vollkommen bewußt. Bereits vor jenem 5. Juni 2006 waren in Washington bereits warnende Stimmen laut geworden. Mark Mazzetti schreibt in der "New York Times" am 7. Juni 2006 rückblickend:
"Eine verdeckte Aktion der Central Intelligence Agency, somalische Kriegsherren zu finanzieren, hat scharfe Kritik von amerikanischen Regierungsbeamten hervorgerufen, die sagen, die Kampagne habe die Terrorismusbekämpfung in Somalia vereitelt und die gleichen islamischen Gruppen, die marginalisiert werden sollen, gestärkt.  
Ein amerikanischer Regierungsbeamter, der dieses Jahr nach Nairobi reiste, sagte, Beamte aus verschiedenen Regierungsbehörden, die in Somalia arbeiten, hätten Bedenken geäußert, dass die amerikanischen Aktivitäten im Land nicht im Rahmen einer breiteren Politik durchgeführt würden.
'Sie waren sich völlig bewusst, dass sie dies ohne strategischen Rahmen tun", sagte der Beamte.' Und sie haben erkannt, dass es negative Auswirkungen auf das haben kann, was sie tun." 
In den folgenden Jahren weitet sich der Machtbereich der Al Shabaab kontinuierlich aus. Am 10 Dezember 2014 veröffentlicht der Blog "The Nation.com" einen Artikel von Jeremy Scahill, der aus dem gleichnamigen Magazin vom 1. - 8. August 2011 stammt:
"Heute kontrollieren somalische Regierungstruppen ungefähr dreißig Quadratmeilen Territorium in Mogadischu, was zum großen Teil der von den USA finanzierten und bewaffneten 9.000-köpfigen AMISOM-Streitmacht entspricht. Ein Großteil des Restes der Stadt steht unter der Kontrolle des Shabaab oder der Warlords."
Die USA weigerten sich standhaft mit der vion ihnen selbst eingesetzten Regierung Somalias zusammenzuarbeiten. Scahill beklagt:
"Auf der einen Seite leitet die CIA somalische Geheimdienstagenten, die nicht unter der Kontrolle der somalischen Regierung sind, während JSOC (Joint Special Operations Command)  einseitige Schläge ohne vorherige Kenntnis der Regierung durchführt; Auf der anderen Seite verstärkt das Pentagon seine Unterstützung für die Terrorismusbekämpfung der nicht-somalischen afrikanischen Streitkräfte." 
In dem Bericht von "The Nation" wird beklagt, dass der Senat zwar 75 Mio. Dollar für die Bekämpfung der AL Shabab Somalia bewilligt habe:
"Die Gesetzesvorlage erlaubte jedoch keine zusätzliche Finanzierung für Somalias Militär, wie die Führer des Landes wiederholt gefordert haben. Stattdessen würde das Hilfspaket die US-Bewaffnung und Finanzierung der AMISOM-Truppen, insbesondere aus Uganda und Burundi, sowie die Militärs von Dschibuti, Kenia und Äthiopien dramatisch erhöhen."
Die USA führten  ihren "War on Terror" stattdessen weiterhin gemeinsam  mit den von der "Afrikanischen Union " gestellten und unter der somalischen Bevölkerung verhassten AMISOM-Truppen. Diese, so "The Nation",
 haben (...) in den vergangenen Monaten eine gnadenlose Kampagne des wahllosen Beschusses von Shabaab-Gebieten geführt, von denen einige stark von Zivilisten bevölkert sind. Während AMISOM regelmässig Pressemitteilungen mit Gewinnen gegen den Shabaab und die Wiedererlangung von Territorien herausbringt, zeichnet die Realität ein viel komplizierteres Bild."
 Die von der Shabaab zurückeroberten Gebiete seien großflächig mit unterirdischen Tunnels durchzogen, die
"von Shabaab-Kämpfern genutzt wurden, um von einem Gebäude zum anderen zu gelangen. Nach einigen Berichten erstrecken sich die Tunnel kontinuierlich über Meilen".
 Tunnel, die weiterhin genutzt werden konnten um Anschläge mitten hinein nach Mogadischu zu tragen. Dazu kam noch, dass eine wildgewordene Soldateska die Bevölkerung immer mehr gegen die AMISOM-Truppen und somit auch gegen deren Unterstützer, die UN, die USA und Europa aufbrachte. Scahill schildert die unerträglichen Zustände:
"Nicht nur die Shabaab-Kämpfer wurden aus den oberirdischen Gebieten vertrieben; Die Zivilisten, die dort einst wohnten, mussten ebenfalls die Gebiete verlassen. Ende Juni feuerten die AMISOM-Truppen mehrmals Artillerie von ihrem Flughafen aus auf dem Bakaara-Markt ab, wo ganze Stadtviertel völlig verlassen sind. Häuser liegen in Trümmern und Tiere wandern ziellos umher und fressen Müll. In manchen Gegenden wurden Leichen schnell in Schützengräben vergraben, wobei der Schmutz die Überreste kaum bedeckte. Auf der Straßenseite in einem ehemaligen Shabaab-Viertel lag ein enthaupteter Leichnam nur wenige Meter von einem neuen Kontrollpunkt der Regierung entfernt."
 Hinzu kamen Ereignisse, die die USA höchstselbst zu verantworten hatten und die den Rückhalt der Islamisten von der Al Shabaab in der Bevölkerung eher stärkten. Armin Wert schildert in seinem Buch "Die Weltbeherrscher - Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA" zwei missglückte Operationen in Obamas Drohnenkrieg aus dem Jahr 2016:
"11. April - Somalia: Am späten Abend begannen Drohnen ihren Angriff auf ein al-Shabaab-Lager in Yontyo in der Provinz des Unteren Juba, etwa 24 Kilometer nördlich von Kismayo, der bis in die Morgenstunden des folgenden Tages andauerte. Das Pentagon bestätigte, dass zwölf Milizionäre getötet worden seien, bestritt aber zivile Verluste. Presseberichte widersprachen dieser Version und betonten, es habe acht Tote gegeben, von denen fünf Zivilisten gewesen seien. Zudem flohen viele nach den Angriffen aus der Region, weil dabei auch ihre Ziegenherden getötet worden waren.  

28. September - Somalia: Nach amerikanischen Angaben wurden bei einem Drohnenangriff in Galcayo neun mutmaßliche al-Shabaab-Milizionäre getötet. Ein somalischer Sicherheitsoffizier der Region, Osman Issa, hingegen räumte ein, bei dem Drohnenangriff seien 22 somalische Soldaten getötet und 16 weitere verwundet worden. Verantwortlich dafür seien Nachrichtenoffiziere der Puntland-Region, die den US-Streitkräften falsche Informationen gegeben hätten. Scheich Abdiasis Abu Musab, der Militärsprecher von alShabaab, erklärte gegenüber Reuters, sie hätten keinen Stützpunkt in Galcayo. In einer am 15. November veröffentlichten Presseerklärung räumte das US Africa Command den Fehler ein und bestätigte, dass bei dem Angriff zehn Mitglieder einer lokalen Miliz und nicht - wie ursprünglich angenommen - al-Shabaab-Kämpfer getötet wurden."
Wenn die Tagesschau nun in Person von Caroline Hoffman ein Schwarz-Weiß-Gemälde zu erstellen versucht, indem die ganz einfachen Botschaften einmal mehr lauten "Hier die Guten und auf der anderen Seite die Bösen" ohne jede Schattierung von grau, so führen Herr Dr. Gniffke und sein Crew einmal mehr ihre Zuschauerinnen und Zuschauer an der Nase herum. Dazu nutzt die Tagesschau ein immer wieder verwendetes Muster. Man sagt nicht die Unwahrheit, weist die Zuschauer aber ganz bewußt und äusserst zielgerichtet in die gewünschte Richtung. Hier: Es waren die Islamisten von der Al Shabaab, basta! Caroline Hoffmann:
"Die Regierung macht die AL Shabaab- Miliz für die Anschläge verantwortlich. Diese hat sich aber bisher nicht dazu bekannt."
 Wenn auch die Annahme, die AL Shabaab stecke hinter den Anschlägen, nicht von der Hand zu weisen ist, so gilt trotzdem nach wie vor: Nichts genaues weiß man nicht.

 Das hindert Hoffman aber nicht daran, in ihrem Beitrag nun nicht weiter über etwaige Einzelheiten und Hintergründe der Anschläge zu berichten, sondern ihr neues und ab jetzt einzige Thema ist die islamistische Terrortruppe. So verfestigt sich beim Zuschauer immer mehr der Eindruck,, die Al Shabaab war's:
"Die radikalislamistische Terrorgruppe verübt seit Jahren immer wieder Anschläge. Sie kontrolliert den Süden des Landes und will in Somalia einen sogenannten Gottesstaat errichten."
Auch die Bevölkerung wird von ARD-Aktuell dazu herangezogen dieses verzerrte Schwarz-Weiß-Bild zu zeichnen.
"Am Sonntag demonstrierten etliche Einwohner Mogadischus gegen den Einfluss der Miliz",
und obwohl Maryan Nor Weheliye, die Frau die in die Kamera spricht, kein Wort von Al Shabaab oder islamistischen Terroristen sagt, muss Sie als Zeugin herhalten, indem man ihre Aussage in den gewünschten Kontext stellt:
"Wir haben kein Vertrauen in den Schutz des Landes. Der Konflikt dauert schon 27 Jahre. wir hoffen endlich auf Frieden."
Ob die Frau weiß, dass ihre Empörung im fernen Deutschland so manipulativ eingesetzt wird?

So etwas bezeichnet man wohl gemeinhin als Manipulation.

  Es ist nicht Aufgabe einer Nachrichtensendung, so wird Dr. Gniffke, nicht ganz zu Unrecht einwenden, die vielen Facetten dieses Konfliktes in der hier betriebenen Länge und Breite darzulegen. Allerdings möchte man sich wünschen, dass ausser den üblichen Trümmerbildern, den Propagandafilmchen der somalischen Regierung - Der Präsident bei der Blutspende und bei seiner Fernsehansprache - auch ein paar Informationen geliefert werden, die mit dem Anschlag  in unmittelbarem Zusammenhang stehen.





300 Tote, mehrere hundert Verletzte, für die Tagesschau von geringerem Interesse als der Hollywood-Grabscher Harvey Weinstein. Alles Routine, die üblichen Trümmerbilder, die Propagandafilmchen der somalischen Regierung: Der Präsident bei der Blutspende, der Präsident bei seiner Fernsehansprache.
Alle Bilder: Screenshots ARD

 Will man näheres zu den Hintergründen dieses schrecklichen Anschlags erfahren, so sollte man die Tagesschau als Lieferant für seriöse Informationen nicht mehr in Betracht ziehen und sich im Netz andere zumeist internationale Quellen suchen.

 Selbst die "International Crisis Group", deren Verlautbarungen wegen ihrer ausgesprochenen Nähe zur US-Regierung sicher mit Vorsicht zu geniessen sind, liefert da weit mehr Information als die Tagesschau, die doch per Staatsvertrag dazu verpflichtet ist, die Menschen umfassend zu unterrichten. In ihrem Briefing Nr. 131 vom 20. Oktober berichtet der Think Tank von ersten Erfolgen, aber auch von Streitigkeiten zwischen den Sicherheitskräften:
"Bis zu den tragischen Angriffen hatte die allgemeine Sicherheit von Mogadischu dieses Jahr allmählich, wenn auch bescheidene Verbesserungen gesehen. Attentate und Autobomben wurden seltener und weniger tödlich als in den vergangenen Jahren (von denen das Jahr 2016 am tödlichsten war) und somalische Sicherheitskräfte haben mehrere versuchte, improvisierte Sprengstoffangriffe mit Fahrzeugen vereitelt. Besseres Training, Fahrzeugkontrollen und Patrouillen auf den Hauptstraßen der Stadt haben mit Sicherheit dazu beigetragen. Aber die endemischen Streitigkeiten zwischen den offiziellen Sicherheitskräften haben den Aufständischen offenbar die Möglichkeit gegeben, einen größeren Angriff zu begehen."
 Die Analyse fährt fort:
"Aufkommender Fraktionalismus und Spannungen zwischen den Clans führten zu einzelnen Scharmützeln im September. Zum Beispiel als eine somalische Armeeeinheit und Elemente der neu gegründeten Mogadischu-Stabilisierungseinheit sich ein Feuergefecht lieferten, bei dem sechs Soldaten starben. Solche Zusammenstöße entstehen oft aus der Konkurrenz um die Kontrolle von Territorien, Checkpoints und anderen Einnahmequellen. Sie untergraben die Moral und den Zusammenhalt in den Sicherheitskräften, verringern die Wirksamkeit des Militärs und machen es wahrscheinlicher, dass Truppen oder Fraktionen mit dem Feind zusammenarbeiten." 
So soll, und die Crisis Group beruft sich auf mehrere Quellen:
 "der Angriff auf Zoobe Junction ein alternder Lastwagen von TM (Bedford) - ein Modell, das früher überall im Land verwendet wurde, auch von der somalischen Armee - für den zivilen Einsatz als Frachttransporter umgebaut und mit Sprengstoff voll gepackt wurde. Er soll angeblich aus dem Shabelle-Tal stammen und mehrere Kontrollpunkte von somalischen Soldaten auf der Straße Afgoye-Mogadischu passiert haben."
Das Schabelle-Tal, etwa 45 Kilometer von Mogadischu entfernt, gilt als einer der wichtigsten Zugangswege in die Hauptstadt. Es fiel kürzlich in die Gewalt der Al Shabaab zurück:
"nachdem sich die Regierungstruppen Anfang diesen Monats zurückgezogen hatten, um dagegen zu protestieren, dass sie für die letzten drei Monate keine Gehälter erhalten hatten."
Zu allen diesen Problemen kommt, so die "Crisis Group", noch eine relativ neue Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung:
"Wachsende Spannungen zwischen Mogadischu und Somalias Bundesstaaten beeinflussen ebenfalls die Sicherheit. Die Kluft zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten einerseits und Katar andererseits verschärft die Spannungen. Da die Saudis und Emiratis direkte Verbindungen zu den (somalischen) Bundesstaaten entwickeln und ihre Beziehungen zur Bundesregierung zurückfahren, (...Riad und Abu Dhabi haben auch die direkte Budgethilfe für Somalia eingestellt, was die Fähigkeit des Bundesstaats, Soldaten, Polizisten und Geheimdienste zu bezahlen, beeinträchtigt....) sind die Spannungen durch den Umstand gewachsen, von welcher Seite des Golfes die Unterstützung kommt. Das lenkt die Aufmerksamkeit von Sicherheitsproblemen in Mogadischu ab."
Sicherlich hat letztlich nur einer die Bombe gezündet und da spricht vieles für Al Shabaab. Aber man sieht, das die Wirklichkeit viel differenzierter und klomplexer ist, als sie von der Tagesschau dargestellt wird.

Mag es ein diffuser Rassismus sein, weit weniger spektakuläre Selbstmordattentate mit weit weniger Opfern in der sogenannten "zivilisierten", westlichen Welt, in Europa, den USA, Kanada oder Australien wurde bereits wesentlich ausführlicher, mit Hintergrundberichten, Kommentaren und Spekulationen von den jeweiligen Terrorexperten versehen, gesendet. Oder mag es dem Bestreben der Tagesschau geschuldet sein, die Welt in gut und böse zu teilen und alles was sich dazwischen befindet einfach zu unterschlagen. Tatsache ist, eine umfassende ausgewogene Berichterstattung, sowie es das Rundfunkgesetzt fordert über die Ereignisse in Mogadischu hat es nicht gegeben obwohl diese nicht geringfügig zum Verständnisse der Vorgänge in unserer unmittelbaren Nachbarschaft hätte beitragen können.

 Sei's drum, für ARD-aktuell war die Sache an diesem Tag erledigt. Zwar ging man in der Tagesschau um 15:00 Uhr noch einmal auf das Attentat in einem 20-Sekunden Beitrag ein aber in den Hauptnachrichten um 20:00 Uhr und danach hatte das Thema allen "human Interest" verloren. 300 Tote, mehrere hundert Verletzte, ein zutiefst geschundenes Volk und Jahrzehnte währende Kriegsverbrechen - für die deutsche Tagesschau eine Sache von 3:54 Minuten, verteilt auf neun Sendungen in Beiträgen zu durchschnittlich 26 Sekunden, deren Inhalt sich zudem noch mehrfach wiederholte: Dr Gniffke kann rigoros sein, wenn ein Ereignis nicht in sein Weltbild passt.


Donnerstag, 12. Oktober 2017

Ständige Wiederholung des gleichen inhaltslosen Propagandaschrotts - Wie die deutschen Medien den Menschen das Hirn verkleistern

 Es war wieder eine dieser Nachrichten, die gemessen an ihrem Inhalt gar keine richtigen Nachrichten sind. Sie dienen einzig und allein dazu, einen gewissen Propagandaflow aufrecht zu erhalten. Über etwas, dass es nicht gegeben hat oder dass nicht bewiesen werden kann wird immer wieder berichtet. Nicht unbedingt über den angeblichen Fakt selbst wird geschrieben, sondern über das, was andere darüber gesagt oder geschrieben haben. Eine Aussage von hören-sagen also, ohne jede Beweiskraft.

 Aber jede kleine Nachricht, jedes Gerücht, jede, auch die absurdeste Aussage eines Politikers, eines Sängers oder Schauspielers, ja jedes Geheimdienstlers, in den allermeisten Fällen schon seit mehreren Jahren außer Dienst, trägt dazu bei, einem Propagandamärchen ein klein wenig mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen.

 So bemühte sich denn in der letzten Woche der deutsche Mainstream, die Saga von der russischen Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen am Leben zu erhalten.
„Senatoren sehen russische Einmischung bei US-Wahl bestätigt“
meldete am 4. Oktober um 19:51 "RP ONLINE" das zur Rheinischen Post Mediengruppe, eine der fünf größten Zeitungsverlage Deutschlands zählende Online-Portal der Rheinischen Post.
„Senatoren befürchten weitere Einmischung Russlands“
zog am gleichen Tag um 20:41 Uhr „Zeit Online“ nach. Wenige Minuten Später, um 21:10 Uhr meldete dann der Tagesspiegel:
„Russische Einmischung in Wahlkampf“
Die „Deutsche Welle“ lieferte wenig später:
„US-Senatsausschuss sieht russische Wahleinmischung bestätigt“
Bei der „Wirtschaftswoche" war man um diese Zeit schon schlafen gegangen, hielt die Meldung aber für so wichtig, dass man noch am Tag danach seine Leserschaft indoktrinierte:
„Einmischung aus Russland nicht nur in den USA“
Für Menschen, die nicht so zeitig aus den Federn kommen mag selbst „Heise Online“  in seinem „Newsticker“ um 9:27 Uhr am 5. Oktober noch Überraschendes vermeldet haben:
„US-Geheimdienstausschuss: Einmischung aus Russland nicht nur in den USA“
Auch im offiziell neutralem Österreich hat die Presse klar Stellung bezogen. "Der Standard"
 wollte nicht abseits stehen wenn Uncle Sam zum großen Russenbashing ruft. Mit:
„Geheimdienstausschuss: Einmischung aus Russland nicht nur in den USA“
war er schon am 4. Oktober um 22:44 Uhr bei den diensteifrigsten Leihfedern mit dabei.

 Angenommen sie sind eines dieser kleinen blauen Männchen, die meinten, unbedingt einmal wieder nachsehen zu müssen, was sich denn so auf der Erde tut. Sie sind seit der Zeit der Dinosaurier nicht mehr auf unserem Planeten gewesen und haben somit keine Ahnung, was hier in den letzten hunderttausend Jahren geschehen ist. Sie wissen nichts von der freien Welt, der Demokratie, dem freien Handel, den Menschenrechten, kurz den westlichen Werten, die in zähem Ringen mit dem ewig Bösen, dem Pferdefüssigen, dem "Gott-sei-bei-uns" aus dem Kreml von der "westlichen Schutzmacht", von den Vereinigten Staaten von Amerika unter größten Opfern, vor allen Dingen in der Dritten Welt, verteidigt werden.

 Sie wissen auch nichts davon, dass in eben diesen USA just vor einem Jahr der ewige Finsterling aus Moskau, so wird erzählt, verhindert hat, das die "Chaos Königin"  der Todesengel Libyens, Hillary Clinton, zur neuen Präsidentin gewählt wurde. Stattdessen wird die Führungsmacht der westlichen Welt nun von einem sehr schnell beleidigtem Egomanen mit dem Horizont eines Maurerkübels regiert.

Sehen wir uns, dermaßen unvoreingenommen, die Überschriften an, so scheint eine Tatsache unzweideutig festzustehen: Russland hat sich in den Wahlkampf in den USA eingemischt. Am präzisesten drückt sich der "Tagesspiegel" aus:
„Russische Einmischung in Wahlkampf“
Eine Tatsachenaussage, die keinerlei Deutung oder gar Zweifel zulässt. Wir sind also ganz sicher, diese Einmischung hat absolut zweifelsfrei stattgefunden. Sehen wir uns daraufhin den Text einmal an: Gleich der Einleitungssatz des Artikels straft die Aussagen der Überschrift allerdings Lügen:
"Seit Monaten wird um die Frage gestritten, ob Russland in den US-Wahlkampf involviert war."
Nun ist nur noch von einer Frage, nämlich der, ob überhaupt "Russland in den US-Wahlkampf involviert war" die Rede. Und die Antworten auf diese Frage, wohlgemerkt nicht wie, sondern ob überhaupt, sind noch strittig. Also sprechen wir hier anders als durch die Überschrift insistiert,nicht von einer feststehenden, belegten Tatsache, sondern von einer bloßen Vermutung, die zudem so vage zu sein scheint, dass es lohnt, darüber zu streiten.

 Der zweite Satz gibt der Nachricht dann einen anderen, neuen Dreh:
"Nun gibt es weitere Erkenntnisse dazu."
Augenscheinlich gibt es etwas neues, dass den Streit in irgendeine Richtung, also einerseits - die Russen sind involviert-, oder andererseits - Russland hat nichts mit Vorkommen, Verlauf und Ergebnis vor, während und nach der Wahl in den USA zu tun -, entscheidend beeinflussen könnte. Schauen wir also wieder im Text nach, welche neuen Erkenntnisse das genau sind, die einen Streit, der die mächtigste Nation der Welt, mit einer Militärmacht, die die gesamte Erde in Staub verwandeln könnte, nun schon seit über einem Jahr lähmt.

 Aber wir suchen - vergebens! In dem gesamten Artikel ist kein Wort mehr von neuen Erkenntnissen.

 Dafür  wird gleich im ersten Satz die Überschrift ein weiteres Mal revidiert:
"Russland hat sich auch einem US-Parlamentsausschuss zufolge in die amerikanische Präsidentschaftswahl eingemischt."
Es handelt sich hier also keinesfalls um eine Tatsache über die berichtet wird, sondern offensichtlich um eine Meinungsäußerung, wenn auch die eines Parlamentsausschusses. Allerdings, so suggeriert das Wörtchen "auch", scheint es noch weitere Personen oder Gremien zu geben, die vorrangig diese These vertreten.

 Allerdings, so sagt es der nächste Satz, scheint diese These auf äußerst tönernen Füßen zu stehen:
"Dies sei der Konsens unter den Gremiumsmitgliedern, erklärte der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, Richard Burr, am Mittwoch."
Die Aussage ist nicht etwa aufgrund von Indizien oder gar Beweisen getroffen worden, sondern es ist lediglich das Ergebnis interner Absprachen der Mitglieder des Geheimdienstausschusses. Diese sind, wie in der Politik üblich durch Kompromisse, der Abwägung von Meinungen, dem außer Acht lassen zu konträrer Sichtweisen und letztlich auf der Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu einer Aussage gelangt, die wiederum in der Politik üblich, durch einen Sprachfilter gereinigt der Öffentlichkeit preisgegeben wurde.

 Den Fakt, dass hier Politiker nicht um die absolute Wahrheit, sondern um ihre jeweiligen Standpunkte gerungen und sich auf eine Aussage, mit der alle Seiten leben können geeinigt haben beweist der nächste Satz der Meldung:
"Untersucht werde noch, ob es eine Abstimmung zwischen der Regierung in Moskau und dem Wahlkampfteam des heutigen US-Präsidenten Donald Trump gegeben habe."
Aus ist es mit der Einigkeit und dem Konsens. Hier prallen die Ansichten und Interessen, und von nichts anderem sprechen wir hier, unversöhnlich aufeinander.

 Vollkommen absurd aber wird der künstlich erzeugte Hype wenn man sich den nächsten Satz einmal auf der Zunge zergehen lässt:
"Mit Sicherheit könne allerdings gesagt werden, dass die Gesamtstimmzahl nicht betroffen sei."
Die Ausdrucksweise des "Tagesspiegels" ist hier, wohl in voller Absicht, ziemlich nebulös. Was meint das Blatt mit Gesamtstimmzahl?

"Sie waren stets bemüht", so würde es wohl in einem Arbeitszeugnis für die Mitglieder des US-Geheimdienstausschusses zu lesen sein. der Volksmund sagt auch: "Ausser Spesen nichts gewesen". Dieses "Fleißkärtchen, dass sich der Ausschuss selbst ausgestellt hat, ist das einzigste, was dieser vorzuweisen hat. Von gesicherten Ergebnissen, gar Beweisen kein Spur.
                                                                                                                              Screenshot: PBS NEWS HOUR

 Glücklicherweise leisten sich einige Blätter noch Sklavenarbeiter, die Agenturtexte, und um einen solchen handelt es sich hier, ein wenig umschreiben. Vornehmlich wohl um den Eindruck einer gleichgeschalteten Presse zu verhindern. Durch diesem Umstand begünstigt können wir einmal andere Texte gegenlesen um herauszufinden, was gemeint ist.

"Die Zeit" schreibt z. B.:
"Es sei aber nicht zu Manipulationen des Wahlergebnisses gekommen, sagte der Ausschussvorsitzende Burr."
Die "Rheinische Post" schließt sich dieser Sichtweise an:
"Burr sagte, es seien keine Stimmenauszählungsergebnisse geändert worden." 
Wenn auch zu fragen sein wird, wie die richtige Übersetzung lautet. Wenn schon mit Zitaten als Stilmittel gearbeitet wird, dann sollten sie sich auch korrekt den ursprünglichen Wortlaut wiedergeben.

 Die "Deutsche Welle" lässt uns zwar wissen:
"Der republikanische Ausschussvorsitzende Richard Burr teilte mit, in den USA seien die Wahlsysteme von 21 Bundesstaaten ins Visier genommen worden",
schweigt sich aber sowohl über das Wie des "ins Visier genommen" aus, als auch über die Folgen des "ins Visier genommen".

 Alle anderen Medien verschweigen die Aussage des Ausschussvorsitzenden Burr gänzlich. In der Logikfalle, einerseits Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf und andererseits, keine Wahlmanipulation haben sich die Redaktionen wohl entschieden auf Wahlmanipulation durch Russland zu setzen und den einzig nachvollziehbaren und belegbaren Fakt an dieser Geschichte, nämlich das es eben keine Wahlmanipulation gegeben hat, einfach zu verschweigen. Deutscher Qualitätsjournalismus im Jahre 2017.

 Aber selbst beim "Tagesspiegel" scheint man überlegt zu haben, wie zwei so konträre Aussagen in Übereinstimmung zu bringen sind. In solchen Fällen macht es sich immer gut, wenn man eine zweite Quelle zu nennen weiß. Beim "Tagesspiegel" sind es die Wahrheitsfanatiker von den US-Geheimdiensten:
"Auch die US-Geheimdienste waren zum Ergebnis gekommen, dass Russland die Wahl beeinflussen wollte."
Allerdings, wie nun jeder erfährt, der lesen kann, sind selbst die toughen Jungs mit den Schlapphüten nicht so recht davon überzeugt, das eine Wahlmanipulation durch Russland stattgefunden hat. Sie sprechen lediglich von einer "Absicht" die bestand, nämlich die, dass Russland die Wahl beeinflussen wollte".

 Einmal abgesehen von der Seriösität der Quelle wissen wir nicht wie weit die Absicht konkretisiert war. Das Wörtchen wollte beschreibt ja keine konkrete Handlung, noch einen irgendwie fest ins Auge gefassten Vorsatz oder Plan.

 Nehmen wir als Beispiel den Satz "Ich wollte letztes Jahr in Urlaub fahren", so kann dieses "wollte", ein an Sylvester in Bierlaune geäußerter Wunsch sein, ein wahlloses durchblättern von Ferienkatalogen, ein fest anvisierter Termin, die Auswahl eines bestimmten Urlaubsziels, ein konkret auf das Ziel Urlaubsreise hin gerichtetes sparen, oder gar das buchen einer Reise, die dann aber aus irgendwelchen Gründen nicht angetreten werden konnte. Gemein ist allen Szenarien aber, dass die Urlaubsreise nicht stattgefunden hat.

 Aber selbst wenn wir einmal annähmen, die Russen hätten wirklich den Vorsatz gehabt, die US-Wahlen zu beeinflussen: An nichts ist die Geschichte reicher, als an politischen Dummheiten. Das sollte das Land der unbegrenzten Dummheiten selbst am besten wissen. Im Übrigen gilt, strafbar ist die Tat, nicht die Absicht eine Tat zu begehen. Sooft ich mir auch wünsche die reiche Erbtante in die ewigen Jagdgründe zu schicken um an ihr Geld zu kommen, solange ich keine konkreten Schritte zur Tat oder andere Vorbereitung mache ich mich nicht schuldig.

 Man sieht, außer Mutmaßungen, Verdächtigungen und haltlosen Anschuldigungen wird dem Publikum nichts geboten. Seit nunmehr fast einem Jahr sind mehrere Senatsausschüsse, die Geheimdienste der USA und sogar ein Sonderermittler damit beschäftigt, Beweise für ein Gerücht zu finden, dass die Demokratische Partei aus Frust über ihren verkorksten Wahlkampf und die herbe Niederlage ihrer Kandidatin Hillary Clinton bei den Präsidentschaftswahlen in die Welt gesetzt haben.

 Je länger man allerdings im Nebel der Vermutungen herumstochert, um so absurder werden die Verdächtigungen. Zwar kann niemand im Ernst einem US-amerikanischen Senator übelnehmen,wenn er auf der Zeitschiene der europäischen Parlamentswahlen ein wenig durcheinander gerät. Allerdings sollte man von Redakteuren deutscher Qualitätsmedien verlangen können, dass wenn dieser Senator offensichtlichen Bullshit redet, sie diesen auch noch wörtlich nachplappern.

 So warnte denn der demokratische Co-Vorsitzende des oben schon mehrfach erwähnten Geheimdienstausschusses des Senats, Mark Warner die Welt
"davor, dass sich eine solche Einflussnahme auch bei den Kongresswahlen im kommenden Jahr wiederholen könnte. Des Weiteren",
so sorgt sich nicht nur "Die Zeit" gemeinsam mit dem Senator,
"seien nicht nur die USA betroffen. Es gebe auch Bedenken in Frankreich, den Niederlanden und in Deutschland".
Ein wenig in der Zeit durcheinandergekommen. Senator Frank Warner (links) gemeinsam mit dem Vorsitzenden des US-Geheimdienstausschusses Richard Burr (rechts) warnt vor russischer Beeinflussung der Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland, die allesamt bereits stattgefunden haben.
Screenshot: PBS NEWS HOUR

 Dabei ist dem Senator scheinbar eine Kleinigkeit aus dem Blickfeld geraten: Die Wahlen "in Frankreich, den Niederlanden und in Deutschland" haben bereits alle, teilweise vor Monaten, stattgefunden. Hier eine kleine Nachhilfe für den Senator:
 Die Parlamentswahl in den Niederlanden fand am 15. März 2017 statt, die Präsidentschaftswahl in Frankreich am 23. April und die notwendig gewordene Stichwahl am 7. Mai 2017 und die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017. Bei allen drei Wahlen ist übrigens von einer Einflussnahme Russlands nichts bekannt, obwohl doch in allen drei Ländern Putins angebliche Verbündete, rechtspopulistische Parteien antraten, in Frankreich gar die rechtspopulistische Kandidatin Marine Le Pen bis in die Stichwahl um das Amt des französischen Präsidenten vordrang.
Was einem US-Senator noch nachzusehen ist - schließlich muss sich der Mann um von den USA in der ganzen Welt geführte Kriege kümmern, da kann man schon mal mit ein paar läbschen Wahlterminen in Vasallenstaaten durcheinander kommen - kann bei einer deutschen Zeitung nur noch mit absoluter Orientierungslosigkeit durch zu viel Schaum vorm Mund entschuldigt werden.

 Allerdings entschieden sich nicht nur die Redakteure der Zeit, vor die Wahl gestellt, Glaubwürdigkeit oder Propaganda, für die zweite Möglichkeit. Auch der "Heise Newsticker", die "Wirtschaftswoche" und der österreichische "Standard" konnten der Versuchung nicht widerstehen, sich lächerlich zu machen.

 Ganz so bunt mochte es die "Deutsche Welle" dann doch nicht treiben, obwohl sie der Versuchung Russland und dessen Präsident Putin als weltweit gegen Demokratie und Menschenrechte agierende Erzschurken darzustellen, nicht ganz widerstehen mochte. Sie unterschlug einfach die Nennung der Niederlande, Frankreich und Deutschland, beließ es aber bei dem eigentlichen Vorwurf:
"Aber auch in anderen Staaten habe Moskau versucht, Einfluss auf demokratische Prozesse zu nehmen."
Da sieht man, für was eine gute Ausbildung im späteren Berufsleben alles gut sein kann.